Hamburg - 20.09.2025

Impulse zum Bibeltext Jesaja 9,1-6

Impuls gesprochen von Dr. Iryna Tybinka im Rahmen der Nacht der Kirchen 2025, „Lichtblicke und Hoffnungsleuchten“ am 20. September 2025 im St. Marien-Dom Hamburg

1 Das Volk, das im Dunkel lebt, / sieht ein helles Licht; über denen, die im Land der Finsternis wohnen, / strahlt ein Licht auf. 2 Du erregst lauten Jubel / und schenkst große Freude. Man freut sich in deiner Nähe, / wie man sich freut bei der Ernte, / wie man jubelt, wenn Beute verteilt wird. 3 Denn wie am Tag von Midian zerbrichst du das drückende Joch, / das Tragholz auf unserer Schulter und den Stock des Treibers. 4 Jeder Stiefel, der dröhnend daherstampft, / jeder Mantel, der mit Blut befleckt ist, / wird verbrannt, wird ein Fraß des Feuers. 5 Denn uns ist ein Kind geboren, / ein Sohn ist uns geschenkt. Die Herrschaft liegt auf seiner Schulter; / man nennt ihn: Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, / Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens. 6 Seine Herrschaft ist groß, / und der Friede hat kein Ende. Auf dem Thron Davids herrscht er über sein Reich; / er festigt und stützt es durch Recht und Gerechtigkeit, / jetzt und für alle Zeiten. Der leidenschaftliche Eifer des Herrn der Heere / wird das vollbringen.

Die Bibel zu lesen ist eine sehr wichtige, aber nie einfache Aufgabe.

Denn die Heilige Schrift zu lesen, bedeutet nicht nur, Buchstaben zu Wörtern und Wörter zu Sätzen zusammenzufügen.

Es geht um die Bedeutung und den Sinn, den diese Worte in sich tragen, um die Wissenschaft, die in ihnen steckt, um die Weisheit, die ein Leitfaden im Leben sein sollte, um das Versprechen, auf dem alles beruht.

Gerade jetzt, während ich mich auf meinen Impuls vorbereitete, las ich immer wieder den Auszug aus dem Buch Jesaja, Kapitel 9.

Zuerst auf Deutsch, dann auf Ukrainisch, wieder auf Deutsch, wieder auf Ukrainisch.

Um alles, was dort steht, so gut wie möglich aufzunehmen.

Um das, was dort geschrieben steht, richtig zu verstehen.

Deshalb möchte ich gleich zu Beginn betonen, dass der Inhalt dieses Auszugs für mich nicht nur ein Licht im Dunkeln war, sondern der vom Herrn versprochene und garantierte Sieg des Lichts über die Dunkelheit.

Kein Wunder, dass ich zu den heutigen Impulsen eingeladen wurde.

Dafür bin ich den Organisatoren aufrichtig dankbar.

Ich bin nicht nur praktizierende Christin.

Ich bin Vertreterin eines Volkes, das der Feind seit mehr als 3,5 Jahren in Finsternis zu stürzen versucht.

Sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne.

Er schießt auf Kraftwerke, Gasspeicher und Umspannwerke.

Sein Ziel ist es, dass Finsternis und Kälte das Leben in der Ukraine buchstäblich lahmlegen.

Mit ständig wachsender Brutalität terrorisiert er die Zivilbevölkerung.

Sein Ziel ist es, dass Finsternis und Angst den ukrainischen Willen und den Drang nach Freiheit lähmen.

Der Feind zielt auf Spielplätze, Wohnhäuser, Krankenhäuser und Kirchen, tötet Mütter und Kinder, ganze Familien in ihren Wohnungen, quält sadistisch diejenigen, die in seine blutigen Hände geraten.

Er entführt unsere Kinder, Zehntausende von Kindern, um sie durch gewaltsame Umerziehung zu Dienern und Werkzeugen des Bösen zu machen.

Er zerstört das Leben selbst, indem er die fruchtbaren ukrainischen Böden in Minenfelder und verbrannte Erde verwandelt und unsere Flüsse und Seen verwüstet.

Ist das nicht die Finsternis, von der das Wort Gottes spricht?

Finsternis in ihrer schrecklichsten, unmenschlichsten Ausprägung.

Finsternis, die den Hass auf alles nährt, was Gottes Schöpfung ist.

Ein Ort, an dem es weder Licht noch Freude noch Hoffnung gibt.

Und leider fehlt dort auch der wahre Glaube.

Denn eine Kirche, die nach Gottes Geboten lebt, kann nicht Morde segnen, zu Blutvergießen aufrufen und das Böse vermehren.

Aber das Joch namens Russland hat keine Macht über uns.

Und wird sie auch niemals haben.

Denn wahre Kraft entspringt nicht aus Hass, Grausamkeit oder Angst, sondern aus Glauben, Hoffnung und Liebe.

Wir lieben.

Deshalb verteidigen wir das, was der Feind zu zerstören versucht.

Wir glauben.

Deshalb bleiben wir trotz aller Brutalität des Feindes unerschütterlich.

Wir hoffen.

Deshalb werden wir unseren Kampf des Lichts gegen diese totale Finsternis fortsetzen.

Heute dauert dieser Kampf genau 1305 Tage.

Unsere Schlacht in einem ewigen Kampf zwischen Gut und Böse.

Wir wissen nicht, wie lange das noch dauern wird.

Wir wissen nicht, wie viele Leben der russische Krieg noch fordern wird oder wie viel Zerstörung er über unser Land bringen wird.

Aber wir wissen ganz genau, dass wir weder zurückweichen noch aufgeben dürfen.

Das ist unsere gemeinsame, europäische, demokratische Verantwortung gegenüber der Gegenwart und der Zukunft.

Andernfalls wird das Böse siegen und sich über ganz Europa ausbreiten.

Und danach über die ganze Welt.

Der Feind sät absichtlich Angst.

Denn er weiß: Wo Angst oder Gleichgültigkeit herrschen, verschwindet immer das Licht des Guten.

Wo kein Licht ist, kommt immer Dunkelheit.

Wo die Dunkelheit überhandnimmt, kann das Leben nicht bewahrt werden.

Dafür gibt es in der Geschichte der Menschheit viele Belege.

In der Dunkelheit ist das Leben nichts wert.

Es wird zu einer Tauschwährung.

Wo Dunkelheit herrscht, gibt es weder Freiheit noch Recht noch echten Frieden.

Sowohl die Ukraine als auch Deutschland wissen aus eigener Erfahrung, was in dunklen Zeiten geschieht.

Deshalb müssen wir lieben, glauben, hoffen, weiterkämpfen und keine Angst haben.

Nicht umsonst spricht der Herr in der Bibel 365 Mal zu uns: Hab keine Angst! Fürchte dich nicht!

Tatsächlich gibt es in der Heiligen Schrift für jeden Tag des Jahres ein „Fürchte dich nicht!”.

Und gerade das Buch Jesaja, Kapitel 9, bezeugt uns, was diejenigen erhalten werden, die keine Angst haben.

Das Licht wird die Finsternis zwangsläufig vertreiben.

Das Gute wird das Böse unweigerlich überwinden.

Und dank des Sohnes Gottes wird das Leben über den Tod triumphieren.

Die Versen 1-6 erklären uns deutlich, wie wahrer Frieden sein sollte.

Nicht dieser Quasi-Frieden, in dem die Kanonen zwar schweigen, aber die Grausamkeiten und Misshandlungen der Menschen weitergehen.

Genau das geschieht derzeit in den von Russland besetzten Gebieten.

Dort triumphiert das Böse.

Nicht dieser Pseudo-Frieden, der angeblich eintreten wird, wenn man die Unterstützung der Ukraine einstellt und versucht, den Aggressor zufrieden zu stellen. Was auch immer das kosten mag.

Das ist kein Frieden.

Das ist Kapitulation vor dem Bösen.

Das ist ein Freibrief für seine weitere Eroberungen und Verbrechen.

Wir brauchen keinen Ersatzfrieden.

Weder die Ukraine, noch Deutschland, noch ganz Europa.

Keiner von Ihnen braucht ihn, denn er ist die Frucht der Finsternis.

Wir brauchen einen gerechten und dauerhaften Frieden.

Einen Frieden, der vom Herrn gesegnet ist.

Ein Frieden, bei dem das drückende Joch und der Stock unseres Antreibers zerbrochen ist.

Nur ein solcher Frieden kann den europäischen Nationen Wohlstand und unserem Kontinent eine sichere Zukunft garantieren.

Denn genau davon ist im Buch Jesaja die Rede.

Dort finden wir die Worte: Frieden, Freude, Mehrung der Nation, Recht und Gerechtigkeit.

Was ist das anderes, als das Versprechen eines gerechten und dauerhaften Friedens? 

„Die große Herrschaft und der Frieden sind ohne Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, es zu festigen und zu stützen durch Recht und Gerechtigkeit, von jetzt an bis in Ewigkeit“.

Genau diesen Frieden müssen wir anstreben und verteidigen.

Das ist es, was mein Land und mein Volk seit 1305 Tagen tun.

Das wird auch den Menschen im übrigen Europa immer bewusster.

Im Zentrum Europas gab es keinen fremden Krieg und kann es auch keinen geben.

So zu denken, hieße, sich selbst zu täuschen.

Der Krieg betrifft leider alle.

Wir sehen das an den Cyberangriffen und Sabotageakten in Deutschland.

An der Störung des GPS für Flugzeuge und Schiffe in der Ostsee.

Aufgrund der Drohnen, die nach Polen, Rumänien oder Moldau fliegen.

Aufgrund des Ausmaßes an Hass, Fremdenfeindlichkeit und Radikalismus, das die europäischen Gesellschaften erfasst hat.

Wenn das Böse nicht gestoppt wird, wird es sich endlos ausbreiten und verbreiten.

Deshalb gibt es für diejenigen, die wirklich nach Frieden streben, die Gerechtigkeit und Sicherheit für ihre Kinder wollen, die Freiheit und Demokratie schätzen, eigentlich nur eine Option.

Auf der Seite des Lichts zu stehen, gegen die Finsternis zu kämpfen und daran zu glauben, dass die Wahrheit siegen wird, denn Gott ist mit uns.

Erst dann „wird jeder Stiefel, der dröhnend daherstampft, jeder Mantel, im Blut gewälzt, verbrannt, wird ein Fraß des Feuers“.