Wolfgang Schneiderhan
Präsident des Volkbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge
General a.D. 
ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr
Beiratsmitglied des zebis

Seismograph für ethische Themen und Katalysator für Bildungsprozesse in den Streitkräften

Der Gründungsgedanke

Dass ethische Bildung mehr ist als ein rein kognitiver Vorgang, sondern zugleich Gewissensbildung und die „Entwicklung lebenspraktisch wirksamer Werthaltungen“ – das erfasste 2010 der ehemalige Militärbischof Dr. Walter Mixa richtungsweisend für das Zentrum für ethische Bildung in den Streitkräften (zebis). Der kirchliche Bildungsakteur ist seit nunmehr zehn Jahren für die Bundeswehr aktiv. Als Beiratsmitglied der ersten Stunde habe ich seinen Weg eng begleitet.

Sein zehnjähriges Bestehen fällt in die Zeit des globalen Ausnahmezustands durch ein gesundheitsgefährdendes Virus. Die Herausforderung lässt politische, gesellschaftliche und ethische Fragen aufkommen. Als Impulsgeber von Debatten kann das zebis auch aktuell wichtige Anregungen geben.

Das zebis entwickelt seine Bildungsformate auf dem Fundament und ausgehend von den Optionen des „gerechten Friedens“, eines zutiefst gewaltpräventiven friedensethischen Ansatzes, der den Fragen einer gewaltdurchwirkten Gegenwart aber keineswegs ausweicht.[1] Der „gerechte Friede“ geht von der Annahme aus, dass ein Mehr an weltweiter Gerechtigkeit und die Orientierung an einem Weltgemeinwohl zu friedensfördernden Strukturen beitragen. Der schon biblisch bezeugte Zusammenhang von Gerechtigkeit und Frieden, Justitia et Pax, liegt diesem friedensethischen Ansatz zugrunde.

Ethische Bildung als Gewissensbildung –
Geschichte als Ausgangspunkt ethischer Reflexionsprozesse

Die Ereignisse in Kassel, Halle und Hanau haben uns schmerzlich vor Augen geführt: Es geht im Hier und Jetzt um Widerstand gegen demokratiefeindliche Strömungen und gegen eine Kultur des Hasses und der Ausgrenzung; gegen die Unterschreitung jeglicher Standards von Kommunikation und gegen Extremismus jeglicher Couleur. Dafür bedarf es vor allem Mut und Haltung! Dies verweist auf die hohe, ja zentrale Bedeutung der Gewissensbildung und ethischen Bildung – nicht nur in der Bundeswehr!

Für Soldaten der Bundeswehr ist das Gewissen die letzte Urteilsinstanz. Damit wurde aus dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus eine wesentliche Lehre gezogen.Das zebis nimmt die Geschichte zum Ausgangspunkt für ethische Reflexionsprozesse wie im jährlichen internationalen Workshop in Auschwitz. Auch begrüße ich die diesjährig neue Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung und dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge: Das Format nimmt Gedenkstätten als Ausgangspunkt ethischer Bildung.

Ethische Herausforderungen durch technologische Entwicklungen in den Streitkräften

Von der Vergangenheit als Folie für ethische Reflexions- und Bildungsprozesse ist der Blick auf gegenwärtige und zukünftige Herausforderungen zu lenken, die mit den technologischen Entwicklungen in der Bundeswehr und den Streitkräften weltweit verbunden sind. Die Auseinandersetzung mit Prozessen der Digitalisierung, Automatisierung und Autonomisierung hat sich als ein weiterer inhaltlicher Schwerpunkt des zebis herauskristallisiert. Dabei geht es wesentlich darum, Fragen zu stellen, um die ethische Problemtiefe und -weite auszuloten. Visionär ist dem zebis dies bei den Themen Cyberspace, Einsatz bewaffneter Drohnen und vollautonome Waffensysteme gelungen.

Das zebis – Ort maßgeblicher Debatten der ethischen Aspekte des soldatischen Dienstes

Dazu wurden in zehn Jahren unterschiedliche Bildungsformate entwickelt: 1. Für die Militärseelsorger als Dozierende des Lebenskundlichen Unterrichts wird das webbasierte Didaktik-Portal ständig erweitert. 2. Das E-Journal „Ethik und Militär“ bildet internationale Debatten ab. 3. Nicht zuletzt fördern Podien, Seminare und Symposien den gesellschaftlichen, politischen und kirchlichen Diskurs.

Mit verschiedenen Kooperationspartnern haben sich die gemeinsamen Anstrengungen für die ethische Bildung in der Bundeswehr verstetigt – wie die Verbindung zur Sanitätsakademie der Bundeswehr in München. Mit der Helmut-Schmidt-Universität und der Führungsakademie sind exzellente Institutionen der ethischen Bildung der Bundeswehr ganz in der Nähe angesiedelt. Ein reger Wissenstransfer ist auch zum Institut für Theologie und Frieden (ithf), unter dem gleichen Dach in der Katholischen Akademie Hamburg eingerichtet, möglich. Geglückt ist nicht zuletzt die Vernetzung mit der evangelischen Militärseelsorge.

Das zebis hat sich in den zurückliegenden Jahren als Seismograph für ethische Themen und als Katalysator für Bildungsprozesse in den Streitkräften profiliert.

Ich wünsche dem zebis weiterhin viel Erfolg in seiner Funktion als friedens- und militärethisches sowie sicherheitspolitisches Forum für Debatten – zum Wohle der Soldatinnen und Soldaten!

 


[1] Die Deutschen Bischöfe, Gerechter Friede (27. September 2000), Nr. 59 ff., Bonn 2013 (4. Aufl.).