Hamburg - 19.04.2023

Russlands Krieg gegen die Ukraine. Eine friedensethische Auseinandersetzung

Prof. Dr. Heinz-Gerhard Justenhoven

Heinz-Gerhard Justenhoven (geboren 1958), Studium der katholische Theologie und Philosophie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main und Marquette University in Milwaukee, USA. 1990 Promotion zum Dr. theol. mit einer Arbeit über die Friedensethik des Francisco de Vitoria. 2006 Habilitation an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br., dort seit 2010 apl. Professor am Lehrstuhl für Moraltheologie. Seit 1995 Direktor des Instituts für Theologie und Frieden (ithf) in Hamburg.

Der Text wurde in der vorliegenden Version Ende Dezember 2022 abgeschlossen. Die Erstveröffentlichung erfolgte in: Heinz-Gerhard Justenhoven, Russlands Krieg gegen die Ukraine. Eine friedensethische Auseinandersetzung, in: Tübinger Theologische Quartalsschrift 1/2023, S. 4-24. Wir danken für die freundliche Genehmigung zur Zweitveröffentlichung.

Am 24. Februar 2022 hat Russlands Präsident das Nachbarland Ukraine überfallen lassen. Was er als ‚Spezialoperation zur Entnazifizierung und Entmilitarisierung der Ukraine‘ zu legitimieren suchte, entpuppt sich immer mehr als ein Krieg gegen die ukrainische Zivilbevölkerung, der dem ukrainischen Volk z.B. durch die Zerstörung der Energieversorgung die Lebensgrundlagen entziehen soll. Dieser Krieg hat bereits zehntausenden von Zivilist:innen und Soldat:innen, ukrainischen wie russischen, das Leben gekostet.

Die nun folgende friedensethische Auseinandersetzung mit Russlands Krieg gegen die Ukraine geht in zehn Schritten vor: Die ersten beiden Punkte nehmen sich der Frage nach den Ursachen des Kriegs an. Die dann folgenden sieben Punkte befassen sich mit der angemessenen Reaktion auf diesen Überfall auf der Grundlage der ‚ethischen Kriterien rechtserhaltender Gewalt‘.[1] Abschließend werden einige ethische Herausforderungen für die Zeit nach dem Ende des Kriegs angesprochen.

 

1. Kampf um Autonomie als Kern des Kriegs

Seine Ursache hat der Krieg Russlands gegen die Ukraine in der Auseinandersetzung um die gesellschaftliche und politische Ordnung postsowjetischer Staaten, indem die überkommene Herrschaft postsowjetischer Autokraten in Russland, Belarus, Kasachstan, Georgien aber eben auch in der Ukraine herausgefordert wird bzw. wurde und sie existenziell in Frage stellt bzw. stellte. Für die Demonstrierenden auf dem Maidan Ende 2013 und Anfang 2014 ging es mit dem Kampf um die Selbstbefreiung von autoritärer Herrschaft letztlich um die (Wieder-)Herstellung ihrer Würde: um die Befreiung aus der Versklavung des homo sovieticus, des Menschen als Teil der Masse, zur Autonomie des Subjekts. [2] Der Drang nach Freiheit, nach individueller und politischer Selbstbestimmung fordert das autoritäre Herrschaftsmodell, für das Putin, Lukaschenko und Nasarbajew bzw. Toqajew stehen, direkt heraus.[3] So prallen völlig unterschiedliche Vorstellungen von Macht und Herrschaft aufeinander. In einem demokratischen Rechtsstaat sind Freiheit und Wohlstand des Individuums Ziel politischen Handelns. Die politische Selbstbestimmung ist Folge dieser Grundposition. Daraus folgt dann auch die Freiheit, die Souveränität, sich für oder gegen ein Bündnis mit anderen Staaten zu entschließen.

Die EU und die USA sind in doppelter Weise in den Konflikt verstrickt. So hatten sie sich im innerukrainischen Machtkampf um die Präsidentschaft 2004 auf die Seite des prowestlichen Kandidaten Juschtschenko und damit gegen den von Russland unterstützten Präsidenten Janukowytsch gestellt. Der innerukrainische Kampf um die staatliche und gesellschaftliche Ordnung war immer auch zugleich ein Machtkampf zwischen demokratischer und autoritärer Staatsform. Auch im Rückblick darf es nicht nur verwundern, nein, es ist selbstverständlich, dass beispielsweise politische Stiftungen demokratischer Staaten diesen Prozess der Befreiung und Demokratisierung unterstützen. Und es wird deutlich, dass vor allem das autoritäre Regime in Moskau dies als aggressives Verhalten brandmarkt, weil es auf die russische Zivilgesellschaft ausstrahlt und seine Herrschaft untergräbt. Die Härte und Rücksichtslosigkeit, mit der der Kreml jede innenpolitische Opposition sowie kritische zivilgesellschaftliche Organisationen wie Memorial zerschlagen hat, verdeutlicht, welche Gefahr für die autoritäre Herrschaft von ihnen in den Augen des Kremls ausgeht.

 

2. Nato-Osterweiterung als Kriegsursache?

Vereinzelt wird die These vertreten, es sei die NATO-Osterweiterung, die Putin in diesen Krieg getrieben habe. Auch wenn dies eine Frage ist, zu der die Ethik keine eigene Expertise beisteuern kann, spielt sie in der Frage der Legitimität der politisch-militärischen Unterstützung der Ukraine doch eine nicht unwesentliche Rolle. Trifft die These zu, dass in der Ukraine kaschiert durch die NATO-Osterweiterung eigentlich eine geopolitische Auseinandersetzung zwischen den USA und Russland um die Vorherrschaft auf den eurasischen Kontinent stattfinde, so ist die Frage der militärischen Unterstützung der Ukraine anders zu bewerten, als wenn es primär um die Unterstützung der ukrainischen Selbstverteidigung gegen die russische Aggression geht: Ethisch gesprochen fließen die Umstände in die Bewertung der Handlung mit ein.

Rüdiger von Fritsch, 2014-2019 deutscher Botschafter in Russland und seit vielen Jahren mit dem Verhältnis Deutschlands zu Russland vertraut, vertritt die Position, dass es 1990 keine verbindliche Zusage der NATO gegeben habe, eine Osterweiterung des Bündnisses auszuschließen. Er stützt seine Aussage auf zwei Kernargumente: Erstens waren die osteuropäischen Staaten vom Baltikum über Polen bis Rumänien zur Zeit der Verhandlungen über die Deutsche Einheit noch Mitglieder des Warschauer Paktes. Eine NATO-Osterweiterung über die ehemalige DDR hinaus stand nicht an. Zudem habe ihm Michael Gorbatschow bestätigt: „Es ist ein Mythos, dass es damals solche Verabredungen gegeben habe […]. Der Warschauer Pakt existierte doch noch!“[4] 

Mindestens so wichtig erscheint mir von Fritschs zweites Argument: Zum einen ging die Initiative von Staaten wie Polen aus: Nach Jahrzehnten – im Fall der baltischen Staaten und Polens nach gut zwei Jahrhunderten – politischer Unterdrückung suchten die Staaten Ost- und Mitteleuropas ihre Souveränität unter dem Schutz der NATO zu sichern. Und damit sind wir wieder bei der eigentlichen Ursache des Krieges, der im Kampf um individuelle und politische Selbstbestimmung besteht. So hat die polnische Gesellschaft diesen Freiheitskampf seit 1980 im Wesentlichen durch die Gewerkschaft Solidarność um Lech Walȩsa gegen das polnische Regime geführt, der 1989 zur schrittweisen Durchsetzung einer demokratischen Staatsform führte. Diese politische Selbstbestimmung, die Wiedererlangung der Souveränität suchte Polen seit 1991 in der Visegrád-Gruppe durch einen NATO-Betritt abzusichern. Die westeuropäischen Staaten, nicht zuletzt Deutschland, standen diesen Ansinnen mit Rücksicht auf Russland skeptisch gegenüber. Aber es stellte sich die Frage nach den Alternativen, die man Polen und den baltischen Staaten hätte anbieten können. Eine neutrale Pufferzone zwischen Russland und der NATO? Ganz zu Recht fragt von Fritsch: „…welche Last hätte gerade Deutschland auf sich geladen, den Staaten Ostmitteleuropas Schutz und Sicherheit zu verwehren?“[5]

Die Dringlichkeit der Absicherung ihrer Souveränität unter dem Schutz der NATO konnte Polen genauso wie weitere ehemalige russisch besetzte Staaten Europas durch Verweis auf die russischen Kriege bzw. Militäraktionen gegen Transnistrien (seit 1990) und Tschetschenien (1994-1999) verdeutlichen. [6] Erst 1997 haben die NATO-Staaten Polen, Tschechien und Ungarn Beitrittsverhandlungen angeboten, der dann 1999 erfolgte. 2004 folgten die baltischen Staaten, Slowakei, Slowenien, Bulgarien und Rumänien.

Parallel zum Aufnahmeprozess wurde 1997 die NATO-Russland-Grundakte geschlossen, um Russland einen Platz in der europäischen Sicherheitsarchitektur einzuräumen. Noch 2004 kommentierte Wladimir Putin den Beitritt der baltischen Staaten, Bulgariens, Rumäniens, der Slowakei und Sloweniens zur NATO mit den Worten: „Hinsichtlich der NATO-Erweiterung haben wir keine Sorgen mit Blick auf die Sicherheit der Russischen Föderation.“[7]

 

3. Bruch des völkerrechtlichen Gewaltverbots

Für eine ethische Bewertung ausschlaggebend ist, dass es sich um einen offenen Bruch des völkerrechtlichen Gewaltverbots handelt, auf das sich alle Mitgliedsstaaten der UN in UN-Charta Artikel 2,4 verpflichtet haben. Das in der UN-Charta erreichte Maß an völkerrechtlichen Regeln zur Überwindung der Anarchie in den internationalen Beziehungen, insbesondere das Gewaltverbot, ist friedensethisch bedeutsam, weil die internationale Rechtsordnung ein wichtiger, von der Friedensethik der christlichen Kirchen immer wieder eingeforderter Schritt zur Pazifizierung des zwischenstaatlichen Konfliktaustrags ist.[8]

Es ist Aufgabe des UN-Sicherheitsrates festzustellen, „ob eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt“ (UN-Charta Artikel 39). Allerdings hat der UN-Sicherheitsrat seiner Aufgabe nicht nachkommen können, da Russland zweimal sein Veto eingelegt hat, während alle anderen Mitglieder des Sicherheitsrates der entsprechenden Resolution zugestimmt haben oder sich enthalten haben. Es rächt sich einmal mehr, dass die permanenten Mitglieder des Sicherheitsrates in den vergangenen Jahrzehnten in ausufernder Weise von ihrem Veto-Recht Gebrauch gemacht haben und Reformvorschläge blockiert haben. Überlegungen zu einer UN-Reform zur wirksamen Durchsetzung des völkerrechtlichen Gewaltverbots müssen genau hier ansetzen. Die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates haben in der Architektur der UN die Aufgabe, das Interesse des Weltgemeinwohls wahrzunehmen: Sie tragen eine besondere Verantwortung, damit es der Staatengemeinschaft gelingt, einen Bruch des völkerrechtlichen Gewaltverbots abzuwehren. Darin – und nur darin – ist das Privileg des Vetorechts begründet. Seit geraumer Zeit werden Vorschläge zur Reform der UN, insbesondere des Sicherheitsrates diskutiert. Der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte 2003 das „High-Level-Panel on Threats, Challenges and Change“ mit der Ausarbeitung von Reformvorschlägen beauftragt und sich beispielsweise die Erweiterung des UN-Sicherheitsrates auch zu eigen gemacht.[9] Noch weiter geht der Vorschlag des damaligen deutschen Außenministers Joseph Fischer, eine weltöffentliche Begründungspflicht für das Veto einzusetzen. „Der Sicherheitsrat handelt nach der Charta im Auftrag und im Namen der Gesamtheit aller UN-Mitgliedsstaaten,“ so Fischer am 22. September 1999 vor der UN-Generalversammlung, „doch diese haben bislang keinen Anspruch darauf, die Gründe für die Ausübung des Vetorechts durch einen Staat zu erfahren. Dies ist nicht nur wenig demokratisch und transparent, es erleichtert auch die Einlegung des unilateralen Vetos aus nationalen anstatt aus internationalen Interessen. Die Einführung einer Begründungspflicht vor der Generalversammlung würde dies erschweren und deshalb einen substanziellen Fortschritt auf dem Weg zu einem verantwortlicheren Umgang mit dem Veto einleiten. Warum soll nicht auch die Generalversammlung künftig ein Mehr an Verantwortung tragen?“[10]

Aus einer friedensethischen Perspektive sind noch weitergehende Reformen der UN zu fordern, die perspektivisch eine unabhängige und effiziente Durchsetzung des internationalen Rechts ermöglichen. Auch theoretisch erscheint die Frage, wie eine „universale öffentliche Gewalt“ zur wirksamen Durchsetzung des internationalen Rechts aussehen soll, noch reichlich ungeklärt; Papst Johannes XXIII. hatte sie in seiner Friedensenzyklika Pacem in terris 1963 gefordert und das II. Vatikanum wie die nachfolgenden Päpste wiederholen diese Forderung ohne weitere Konkretion.[11] Zu diskutieren ist auch, ob dies der richtige Denkansatz ist.[12]

Nach dem zweimaligen Scheitern einer Resolution im UN-Sicherheitsrat hat die UN-Generalversammlung am 2. März 2022 in ihrer Uniting-for-Peace-Resolution die russische Aggression mit 141 gegen 5 Stimmen bei 35 Enthaltungen verurteilt. Damit steht Russland als Aggressor weltöffentlich fest und die Ukraine hat ein völkerrechtlich abgesichertes Verteidigungsrecht. Die russische Regierung kann das von ihr behauptete Verteidigungsrecht zum Schutz ethnischer Russen im Donbass oder gegen einen vermeidlichen Angriff der NATO auf die Krim nicht reklamieren: Sie hat sowohl vor der UN-Generalversammlung als auch vor dem zuständigen Internationalen Gerichtshof (IGH) nicht überzeugen können. Die russische Behauptung, in der Ostukraine müssten ethnische Russen vor einem Völkermord geschützt werden, hat die Ukraine dem IGH zur Prüfung vorgelegt. Der IGH wies diese russische Begründung, die sich der Sache nach auf die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes vom 9. Dezember 1948 (Völkermordkonvention) bezog, zurück und ordnete am 16. März mit 13 zu 2 Stimmen (Richterin Xue aus China und Richter Gevorgian aus Russland stimmten dagegen) an: „The Russian Federation shall immediately suspend the military operations that it commenced on 24 February 2022 in the territory of Ukraine”[13]. Zur Begründung verwies der IGH darauf, dass das Völkerrecht einzuhalten und auch die Völkermordkonvention im Licht der UN-Charta auszulegen sei: „[...] Ukraine has a plausible right not to be subjected to military operations by the Russian Federation for the purpose of preventing and punishing an alleged genocide in the territory of Ukraine.“[14]

Nachdem der UN-Sicherheitsrat keine Maßnahmen beschlossen und die UN-Generalversammlung den russischen Angriff als Bruch des Gewaltverbots mehrheitlich festgestellt hat, steht der Ukraine die Anwendung militärischer Gewalt zur Selbstverteidigung zu. Denn die UN-Charta sieht nur zwei Ausnahmen von dem Gewaltverbot vor: die kollektive Abwehr einer Aggression durch ein Mandat des UN-Sicherheitsrats nach UN-Charta Kapitel VII oder das Recht auf Selbstverteidigung (UN-Charta Art. 51), solange der UN-Sicherheitsrat nicht tätig wird.

 

4. Strafrechtliche Verfolgung schwerster Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung

Das Ausmaß an Gewalt gegen die Zivilbevölkerung und die offenkundig intendierte Vernichtung der zivilen Lebensgrundlagen des ukrainischen Volkes geht über das in der Regel zu beklagende Ausmaß an ‚kollateralen Schäden‘ von Kriegen hinaus. Das Humanitäre Völkerrecht verbietet direkt intendierte Gewalt gegen die Zivilbevölkerung, es verbietet die beabsichtigte Bombardierung von Ortschaften, Wohnhäusern, Schulen und Krankenhäusern. Bei dem fast täglich dokumentierten Verstoß im Krieg Russlands gegen die Ukraine handelt es sich um schwerste Kriegsverbrechen: Mehr als 15.000 Menschen sind der International Commission for Missing Persons (ICMP) während des Ukrainekrieges verschwunden.[15] Dem Leiter des ICMP-Programms für Europa, Matthew Holliday, zufolge ist unklar, wie viele Menschen zwangsumgesiedelt oder in Russland inhaftiert seien. Auch ist die Zahl der Vermissten unklar, die eventuell noch leben bzw. gestorben und in provisorischen Gräbern verscharrt worden sind.

Die schweren Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung, für die exemplarisch der Ort Butscha nördlich von Kiew steht, aber auch die in sozialen Medien zur Schau gestellte Folterung und Tötung ukrainischer Soldaten sowie die gezielte Tötung ukrainischer Kriegsgefangener zeigen ein Maß an enthemmter Gewalt russischer Soldaten gegen die Zivilbevölkerung, das es nicht mehr erlaubt, von Einzelfällen zu sprechen, sondern die Frage nach angeordneter, systemischer Gewalt einer Soldateska zur Unterwerfung der ukrainischen Bevölkerung aufwirft.[16] Der Gewaltforscher Wolfgang Sofsky spricht von „genozidaler Kriegsführung“[17].

Es handelt sich bei den schockierenden Gewaltexzessen im Krieg gegen die Ukraine nicht um das Handeln von außer Kontrolle geratenen Einzeltätern, sondern um staatlich unterstütztes und beabsichtigtes Handeln. Diese Behauptung ist belegt, weil Präsident Putin die Einheit, in deren Verantwortungsbereich die Kriegsverbrechen von Butscha begangen wurden, eigenhändig mit Orden ausgezeichnet hat. Er unterstreicht damit die Absichtlichkeit der Verantwortung für diese Kriegsverbrechen bis in die Staatsspitze hinein. In der Diskussion über die Ursachen dieser Gewaltexzesse wird auf weit verbreitete Gewalt vor allem in Haftanstalten und die Verrohung des Sicherheitspersonals hingewiesen. So sieht der russische Politikwissenschaftler Sergej Medwedew in den Gewaltexzessen den Ausdruck der rohen Gewalt der russischen Gefängnissubkultur. Ihre menschenverachtende Haltung, die sich in den Kriegsverbrechen einzelner, identifizierbarer Einheiten manifestiert, seien „Teil der Norm, Routinepraktiken der russischen Gewaltapparate“[18]. Einen tiefen Einblick in diese Gewaltkultur liefert der russische Dichter Warlam Schalamow mit seinem lakonischen Bericht der Brutalität und Menschenverachtung des sibirischen Lageralltags, den er selber durchlitten hat.[19]

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat offizielle Ermittlungen über mögliche Kriegsverbrechen beider Seiten in diesem Krieg eingeleitet und will die Verbrechen zur Anklage bringen.[20] Seit der Errichtung des IStGH 1998, dem jedoch noch nicht alle Staaten beigetreten sind, müssen Regierungsmitglieder, Beamte, Soldaten und weitere Verantwortliche davon ausgehen, dass sie persönlich für ihre Straftaten wie schwerste Menschenrechtsverletzungen haften müssen. Zu Recht verweist Kai Ambos auf die Doppelmoral des Westens im Umgang mit dem Völkerstrafrecht hin: So habe beispielsweise das Verhalten westlicher Streitkräfte im Irak und in Afghanistan und nicht zuletzt das ‚gezielte Töten‘ durch bewaffnete Drohnen, denen zuhauf auch Zivilisten zum Opfer gefallen sind, die Akzeptanz des Völkerstrafrechts wie der UN-Ordnung schlechthin im Globalen Süden unterminiert.[21] Erst auf massiven öffentlichen Druck hat beispielsweise die australische Regierung die Kriegsverbrechen ihrer Special Air Service-Einheiten (SAS), die durch Recherche von Journalisten des Senders ABC aufgedeckt wurden, in einem offiziellen Bericht des Parlaments dokumentiert und sich auch öffentlich dazu bekannt.[22] Unbekannt ist mir, ob Betroffene sich strafrechtlich verantworten mussten. Friedensethisch zu fordern ist die konsequente Weiterentwicklung der internationalen Strafgerichtsbarkeit in allen vergleichbaren Fällen ohne Ansehen der Person oder der politischen Macht und ihre konsequente, verpflichtende Anwendung, damit Straflosigkeit und letztlich solche Gewaltexzesse verhindert werden.[23]

 

5. Konditioniertes Recht auf Selbstverteidigung

Die Ukraine hat ein konditioniertes Recht, sich selbst zu verteidigen, das am Ziel der Überwindung der Gewalt in den internationalen Beziehungen orientiert sein muss. Die zur Verteidigung eingesetzten Mittel müssen in einem angemessenen Verhältnis zu diesen beiden Zielen (Selbstverteidigung, Überwindung der Gewalt) stehen. Weil der Ukraine die Mittel fehlten, sich angemessen zu verteidigen, war und ist es verpflichtend, dass andere Staaten die der Ukraine fehlenden Waffen zu Verfügung stellen und sich dabei an den Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und Suffizienz orientieren.

Diese These möchte ich im Folgenden erläutern: Zuerst zur Frage des konditionierten Verteidigungsrechts. Das Verteidigungsrecht ist völkerrechtlich und ethisch konditioniert: Es gilt nur und insoweit der UN-Sicherheitsrat nicht tätig wird, bzw. bis er tätig wird. Denn es gilt erstens ein Gewaltverbot in den internationalen Beziehungen (UN-Charta Art. 2,4). Zweitens ist im Falle eines Bruchs des Weltfriedens oder der internationalen Sicherheit der UN-Sicherheitsrat zuständig, den Verstoß festzustellen und kollektiv abzuwehren. Wenn dies nicht mit friedlichen Mitteln möglich ist, wird eine Aggression im äußersten Fall auch durch die kollektive Anwendung militärischer Mittel abgewehrt. Nur solange der Sicherheitsrat nicht tätig wird, besteht das Recht auf Selbstverteidigung gegen eine Aggression. Nun hat Russland die Behandlung seines Überfalls auf die Ukraine im UN-Sicherheitsrat durch ein Veto blockiert; davon war bereits die Rede.

Nachdem, wie bereits gesagt, die UN-Generalversammlung in ihrer Uniting for Peace Resolution den russischen Angriff eindeutig verurteilt hat, steht Russland als Aggressor weltöffentlich fest. Die Ukraine hat ein völkerrechtlich abgesichertes Verteidigungsrecht, das sich am Ziel der Abwehr der Aggression zu orientieren hat. Das bedeutet: Die Ukraine darf die russischen Truppen aus seinem Land mit angemessenen und verhältnismäßigen militärischen Mitteln vertreiben, aber eben auch nicht mehr. Zugleich gilt das Kriterium der Aussicht auf Erfolg; dies bedeutet, dass die Verteidigung eine gewisse Aussicht auf Erfolg haben muss, oder anders gesagt, sie darf zumindest nicht in Abrede gestellt werden können. Da die Anwendung dieses Kriteriums zu einem prognostischen Urteil führt, also die Voraussage von Wahrscheinlichkeiten impliziert, gilt hier besondere Vorsicht. Sicherheitspolitische Experten wie Friedensethiker haben mit ihren Prognosen über die Aussicht auf Erfolg des ukrainischen Widerstands in den ersten Wochen reihenweise falsch gelegen.[24]

Vom Ziel der Gewaltüberwindung her selbstverständlich ist dann auch, dass jede Möglichkeit, die sich ggf. bietet, dieses Ziel mit diplomatischen Mitteln zu erreichen, vorzugswürdig ist und also genutzt werden muss.

 

6. Militärische Gewalt als äußerstes Mittel: Wurde eine Verhandlungslösung torpediert?

Der Einsatz militärischer Gewalt zur Verteidigung ist nur als äußersten Mittel (ultima ratio) verantwortbar, jede gewaltärmere Variante daher vorzugswürdig. Wann immer die Chance besteht, die Aggression durch einen Waffenstillstand zu beenden – zu der auch eine realistische Aussicht auf Beendigung der Besatzung gehört – sind Verhandlungen als Alternative zu einer Fortdauer der Verteidigung zu wählen; im konkreten Fall hat die russische Armee bzw. Regierung aus einer ethischen Perspektive in jedem Fall die Pflicht, umgehend die Kampfhandlungen einzustellen. Nun wird in der öffentlichen Debatte gelegentlich die These aufgestellt, es habe Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland gegeben, die aber bewusst torpediert worden seien. Diesem Vorwurf muss nachgegangen werden.

Ende März 2022, wenige Wochen nach Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine, kam es unter türkischer Vermittlung in Istanbul zu Verhandlungen zwischen russischen und ukrainischen Unterhändlern. Aufgrund des enormen militärischen Drucks in den ersten Kriegswochen legte die ukrainische Delegation das Istanbuler Kommuniqué vor, das den russischen Forderungen sehr weit entgegenkam und Grundlage einer Verhandlungslösung hätte sein können. Es enthielt unter anderem die Bereitschaft einer dauerhaften Neutralität der Ukraine, zu Statusverhandlungen über die Krim und den Donbass und Bedingungen für einen Waffenstillstand. Im April wurden die Verhandlungen in Istanbul fortgesetzt, Mitte April schloss der ukrainische Präsident Selenskyj weitere Waffenstillstandverhandlungen jedoch aus. Die russische Regierung wirft der Ukraine seitdem vor, die Istanbuler Verhandlungen abgebrochen zu haben, erklärt ihrerseits jedoch prinzipielle Verhandlungsbereitschaft.

Der ehemalige deutsche UN-Diplomat Michael von der Schulenburg vertritt die These, dass die NATO die ukrainisch-russischen Friedensverhandlungen auf ihren Sondergipfel am 23. März faktisch beendete: Sie forderte, so von der Schulenburg, den „bedingungslosen Rückzug der russischen Streitkräfte aus ukrainischen Gebieten, bevor es zu Friedensverhandlungen kommen konnte […]. Die Nato“, so von der Schulenburg weiter, „verlangte nichts Geringeres, als das Russland seine Niederlage akzeptiert, was im krassen Gegensatz zu einer Kompromisslösung steht, auf die sich die ukrainischen und russischen Unterhändler geeinigt hatten“.[25] Hinter der Ablehnung einer Verhandlungslösung stünden nach von der Schulenburg zufolge die geostrategischen Interessen der USA, die einen NATO-Beitritt der Ukraine forcierten und deswegen eine neutrale Ukraine unterbinden wollten: „Wohl auf Druck der USA und des Vereinigten Königreiches brach die Ukraine daraufhin die Friedensgespräche ab […].“[26]

Eine sehr andere Lesart der erfolglosen Istanbuler Verhandlungen legt Sabine Fischer von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) vor. [27] Dabei verweist sie auf Aspekte, die in Schulenburgs Darstellung nicht vorkommen: In den Verhandlungen im April blieben die Positionen der Ukraine und Russlands im Blick auf die Sicherheitsgarantien und den Status der Krim und des Donbass unvereinbar. Die Ukraine war nach dem Bruch des Budapester Memorandums, in dem Russland der Ukraine 1994 territoriale Unversehrtheit in Gegenzug für die Abgabe der aus sowjetischen Beständen stammenden Atomwaffen zugesichert hatte,[28] nicht mehr bereit, Russland als Sicherheitsgaranten zu akzeptieren. Vielmehr verlangte die Ukraine Sicherheitsgarantien von einer Gruppe von Garantiestaaten ohne Russland, die nah an die Konditionen des NATO-Vertrages heranreichen sollten. Zudem erscheinen die Positionen zum Status der Krim und des Donbass unvereinbar: Die Ukraine wollte über den Status der beiden Gebiete – auch über einen sehr langen Zeitraum – verhandeln. Russland lehnte Gespräche über die Krim ab und verwies auf die Eigenstaatlichkeit‘ der ‚Volksrepubliken‘ Luhansk und Donezk.

Zu der Unvereinbarkeit der Positionen kommen Sabine Fischer zufolge die Veränderungen des politischen und militärischen Kontextes. Nach dem Rückzug der russischen Truppen aus dem Gebiet um Kiew wurde das Ausmaß der Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung u.a. in Butscha und Irpin offenbar und lösten international Entsetzen aus. Diese Verbrechen russischer Streitkräfte führten nicht nur zu Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofes (IGH), sondern auch zu substanziellen westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine. Einen letzten Schlusspunkt unter die Verhandlungsbereitschaft der ukrainischen Regierung setzte das Scheitern der internationalen Bemühungen, humanitäre Korridore für die im Asow-Stahlwerk eingeschlossenen Zivilist:innen und Soldat:innen einzurichten.[29] Die Istanbuler Verhandlungen als Versuch einen Waffenstillstand zu erreichen, so lässt sich festhalten, sind an den bis dato unvereinbaren Positionen der Ukraine und Russland gescheitert.

 

7. Sanktionen als nichtmilitärisches Mittel der Verteidigung

Sanktionen gelten neben Verhandlungen als die gewaltärmere Alternative zum Einsatz militärischer Mittel und sind daher prinzipiell vorzugswürdig. Sie werden „international zunehmend als ein Instrument rechtserhaltender Gewalt verstanden, verhängt und bei recht unterschiedlichen Normverstößen (moralisch beziehungsweise politisch) gerechtfertigt“[30]. Sascha Werthes macht aber auch darauf aufmerksam, dass eine friedensethische Kriteriologie für den Einsatz von (gezielten) Sanktionen ein Desiderat ist.[31] Nun hat die EU im Verbund mit weiteren Staaten unmittelbar gegenüber Russland, der russischen Führung und dem sie tragenden Kreis von Oligarchen harte ökonomische Sanktionen verhängt, um die Kosten für den militärischen Überfall für die russische Führung so hochzutreiben, dass die militärische Aggression gegen die Ukraine möglichst gestoppt wird. In der politikwissenschaftlichen Forschung werden vier Funktionen von Sanktionswirkungen unterschieden: Anreiz, Zwang, Abschreckung und Signal.[32] Sanktionen als Anreize verpuffen, wenn der sanktionierte Staat wie nun Russland bereit ist, einen entsprechend hohen Preis zu zahlen. Der Zwangscharakter von Sanktionen käme zum Tragen, wenn durch sie die russische Kriegsführung gegen die Ukraine unterbunden werden könnte. Ökonomen rechnen aber erst nach zwei bis drei Jahren mit durchschlagenden Folgen für die politische Handlungsfähigkeit der Kremlführung. Auch wenn Jeffrey Sonnenfeld und Steven Tian davon sprechen, dass die internationalen Sanktionen „zerstörerische Effekte“ für Russlands Wirtschaft haben,[33] ist die Abschreckungswirkung gering. Trotzdem haben Sanktionen „zumindest eine wichtige Signalfunktion, indem sie Russland vor Augen führen, dass ein Angriffskrieg nicht kostenfrei ist“[34]. Die Entschiedenheit und Härte der westlichen Sanktionen ist für die russische Führung überraschend gekommen. Der Kreml hat seinerseits auf die westlichen Sanktionen erst mit der Reduzierung und anschließend mit der fast vollständigen Beendigung der Energielieferungen reagiert, um eine ökonomische Krise in den EU-Ländern zu erzwingen. Die aktuelle Debatte um die Explosion der Energiekosten zeigen aber auch, dass die Rückwirkungen der Sanktionen durch den Stopp russischer Gaslieferungen mittelfristig Auswirkungen auf unseren Lebensstil haben werden. Damit ist die Frage nach Umfang und Grenzen der Solidarität unserer Gesellschaft gegenüber der ukrainischen Gesellschaft aufgeworfen.

 

8. Angemessenheit der Mittel: Ziviler Widerstand oder schwere Waffen?

Wer ein völkerrechtlich und ethisch begründetes Recht hat, sich gegen eine Aggression zu verteidigen, darf die dazu erforderlichen und verhältnismäßigen Mittel einsetzen. Da die Ukraine nicht über hinreichende Mittel verfügt, um sich gegen die wesentlich stärkere russische Armee wehren zu können, sind die Mitglieder der Staatengemeinschaft nach dem Maß ihrer Möglichkeiten dazu verpflichtet, der Ukraine diejenigen militärischen und finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, die sie zu ihrer Verteidigung benötigt. Die der Ukraine zur Verteidigung angebotenen Mittel müssen sich ebenso an den Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und Hinlänglichkeit orientieren: verhältnismäßig gegenüber den von der russischen Armee eingesetzten Waffen; und hinlänglich, d.h. nicht mehr, aber auch nicht weniger als erforderlich, um die Gewalt abzuwehren.

Unstrittig ist, dass das Opfer einer Aggression der Hilfe bedarf, wenn es sich aus eigener Kraft nicht wehren kann. Welche Mittel die Aggression wirkungsvoll überwinden und angemessen sind, ist nicht nur unter Christen umstritten; hier scheiden sich häufig die Positionen. So empfiehlt beispielsweise Véronique Dudouet von der Berliner Berghof Foundation der Ukraine den ihrer Ansicht nach erfolgreicheren, weil gewaltloseren zivilen Widerstand gegen die russische Invasion. [35] Auf dieser Linie argumentieren dann auch Vorstandsmitglieder von Pax Christi in ihrer Forderung, dass „Mittel des zivilen Widerstands erprobt werden“ müssten.[36]

Nicht zuletzt auf die Erfahrungen des zivilen Widerstands in der Ukraine, wie von Felip Sierra analysiert, wird gerne hingewiesen.[37] Meine Skepsis bezüglich der Erfolgswahrscheinlichkeit – und damit der Angemessenheit – des zivilen Widerstands gründet darauf, dass die russische Besatzungsmacht nach Felip Daza Sierra in den besetzen Oblasten Cherson und Saporischschja mit der Entführung der Aktivisten reagiert und auf diese Weise den zivilen Widerstand unterdrückt hat. Auch kommt ziviler Widerstand an seine Grenzen, wenn die russische Armee mit Raketenangriffen grundlegende zivile Infrastruktur zerstört. Gegen Raketenbeschuss auf zivile Infrastruktur ist ziviler Widerstand macht- und wirkungslos.

Daher wird hier die These vertreten, dass die Ukraine das Recht hat, sich gegen die von der russischen Armee eingesetzten schweren Waffen mit entsprechenden, angemessenen Mittel zur Wehr zu setzen; dazu gehören auch schwere Waffen. Sofern sie nicht über diese Mittel verfügt, ist sie auf entsprechende Hilfe angewiesen. Schon vor Beginn des russischen Einmarsches wurde in Deutschland diskutiert, ob überhaupt Waffen an die Ukraine geliefert werden sollten. Einige Wochen später kam dann die Debatte auf, ob Deutschland der Bitte der ukrainischen Regierung nachkommen solle, schwere Waffen zu liefern. Dabei war in der öffentlichen Debatte in den ersten Kriegswochen das Argument dominant, Deutschland dürfe keine Waffen in Kriegsgebiete liefern und also auch nicht an die Ukraine.

Es gibt durchaus Fälle, in denen Deutschland Waffen in Kriegsgebiete geliefert hat, so beispielsweise 2016 an die kurdischen Peschmerga im Nordirak zur Verteidigung gegen den IS. Der auch in kirchlichen Kreisen lange Zeit vorgebrachte Grund, aus historischer Verantwortung dürfe Deutschland in einem Konflikt mit Russland keine Waffen liefern, ist in meinen Augen falsch. Das Argument greift genau andersherum: Aufgrund unserer historischen Verantwortung für das Unrecht in den Jahren 1939-45 gegenüber der ukrainischen, belarussischen wie russischen Bevölkerung[38] sind wir um des Zieles der zwischenstaatlichen Gewaltüberwindung willen verpflichtet zu verhindern, dass Krieg als Mittel zur Durchsetzung welcher politischen Ziele auch immer eingesetzt wird. Folglich ergibt sich aus unserer historischen Verantwortung die Verpflichtung mitzuhelfen, die russische Aggression abzuwehren. Hierzu gehört auch die Verpflichtung, dem Opfer einer Aggression die zur Abwehr erforderlichen, angemessenen Mittel zur Verfügung zu stellen. Begründet wird diese Hilfspflicht auf Grundlage eines ethischen Universalismus, der von der Einheit der Menschheit ausgeht. Abstufungen der Hilfspflicht lassen sich einerseits in Abhängigkeit von der Nähe zu den Hilfsbedürftigen begründen wie auch durch das den Hilfeleistenden mögliche Maß an Hilfe.

Die Waffenlieferungen müssen sich an den Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und Hinlänglichkeit und wie gesagt am Maß des Möglichen orientieren: verhältnismäßig gegenüber den von der russischen Armee eingesetzten Waffen und hinlänglich, um die Angriffe abzuwehren. Da die russische Armee schwere Waffen einsetzt (Artillerie, Panzer, Raketen etc.), hat die Ukraine das Recht, sich dagegen zu wehren und bedarf entsprechender schwerer Waffen, insbesondere solcher zur Luftverteidigung gegen Raketen und Marschflugkörper. Darüber hinaus ist es eine Frage politischer und militärstrategischer Klugheit, welche schweren Waffen konkret dies sein sollen; diese entscheidet auch über das Maß des Möglichen. Die Ethik kann bestenfalls eine Untersuffizienz konstatieren – wie im Falle der Lieferung von 5.000 Stahlhelmen aus deutschen Beständen Ende Januar 2022 – oder eine eklatante Überschreitung der Suffizienz. Es liegt als Entscheidung politischer Klugheit also in der Verantwortung der Politik, en detail zu entscheiden, welche Waffen geliefert werden können.

In Anwendung des Kriteriums der ‚Aussicht auf Erfolg‘ ist an Kritiker deutscher Waffenlieferungen die Frage zu richten, ob die Gewalthandlungen der russischen Armee absehbar eingestellt würden, wenn die Ukrainer auf ihre Verteidigung verzichteten oder ob das zu erduldende Leid in Verzichtsfalle geringer wäre. Das Gegenteil hat eine wesentlich höhere Wahrscheinlichkeit: Die Rhetorik des russischen Präsidenten zeugt von einer Absicht, [39] die die russische Besatzungsmacht in den besetzten Gebieten umsetzt: Massaker, Folter und Vergewaltigungen der russischen Armee an der Zivilbevölkerung in Butscha und anderen besetzten Orten sowie Verschleppungen von Zivilist:innen nach Russland; der Versuch der politischen Integration des Territoriums in das russische Herrschaftsgebiet; der Versuch der Russifizierung der ukrainischen Bevölkerung; die Deportation von ca. einer Million Ukrainer:innen und die Freigabe zur Adoption ukrainischer Kinder in russische Familien. Diese Vorgänge bezeugen den Willen, die Ukraine als Land und Volk zu vernichten bzw. zu russifizieren.[40] Aus diesem Grund führt eine Kapitulation oder der Verzicht auf die Verteidigung mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zu einem Ende der Gewalthandlungen in der Ukraine.

Waffenlieferungen müssen das Risiko einer (vor allem nuklearen) Eskalation abwägen gegen das Verteidigungsrecht. Der Schaden im Falle einer nuklearen Eskalation wäre für alle beteiligten Staaten unverhältnismäßig. Problematisch ist das sich aus der Drohung mit einer nuklearen Eskalation ergebende Erpressungspotential, das Präsident Putin bereits eingesetzt hat. Putins Drohung enthält eine politische Botschaft, die auf die Öffentlichkeit im Westen zielt: Die Angst vor einer nuklearen Eskalation mit potenziellen Auswirkungen auf Westeuropa soll die Unterstützung für die Ukraine in den westlichen Gesellschaften unterminieren.[41] Zugleich werfen Putins nukleare Erpressungsversuche aber auch die Frage nach der Wahrscheinlichkeit eines Einsatzes taktischer Nuklearwaffen auf. Hierzu erläutert Lydia Wachs von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), dass die russische Militärdoktrin aus dem Jahr 2000 „den Einsatz von Atomwaffen auch als Reaktion auf eine konventionelle Aggression in Betracht ziehen (würde), die für die nationale Sicherheit kritisch sei“[42]. Russland habe aber in den letzten zehn Jahren im Bereich der Mittelstreckenraketen beispielsweise durch die Iskander-Kurzstreckenflugkörper oder die Kalibr- bzw. Kh-101/Kh102-Marschflugkörper konventionell aufgerüstet und sich damit weniger abhängig von Nuklearwaffen gemacht: „Die Bereitschaft zu einer nuklearen Eskalation gilt offiziell nun frühestens für den Fall einer existenzbedrohenden konventionellen Aggression.“[43] Auch im Blick auf die internationale Öffentlichkeit ist ein Einsatz von (taktischen) Nuklearwaffen kontraproduktiv. So haben Indien und China, die Russlands Krieg gegen die Ukraine zumindest öffentlich nicht kritisiert haben, in aller Deutlichkeit einen möglichen Einsatz von Nuklearwaffen als rote Linie bezeichnet; Putin würde damit wichtige internationale Unterstützer verlieren.[44]

 

9. Aussicht auf Erfolg: Wo steht der Krieg in der Ukraine heute?

Das Kriterium der ‚Aussicht auf Erfolg‘ verlangt eine realistische Perspektive für den Erfolg der Selbstverteidigung. Sofern eine Verteidigung sicher keine Aussicht auf Erfolg hat und daher die Anwendung militärischer Mittel zur Verteidigung das Leid und den Schaden nur vergrößern würde, kann sie nicht verantwortbar sein. Es hat sich allerdings gezeigt, dass die von auch namhaften Experten am Beginn des Krieges abgegebene Einschätzung, die Ukraine werde binnen weniger Wochen russisch besetzt sein, sich als unzutreffend erwiesen hat. Ein prognostisches Urteil steht auch bei hohem Sachverstand immer unter dem Vorbehalt, dass Einschätzungen und Aussagen über die Zukunft gemacht werden, die Wahrscheinlichkeiten haben und also falsch sein können.[45] Der enorme Widerstandswille und die Tapferkeit des ukrainischen Volkes und der Armee, für die erkämpfte Freiheit einzustehen, stellen – neben den westlichen Waffenlieferungen – offenkundig den ausschlaggebenden Faktor dar, den die meisten Experten unterschätzt haben.[46]

Mit seinem Überfall auf die Ukraine hat der russische Präsident das Gegenteil von dem erreicht, was er beabsichtigte: Die Ukraine ist als Volk einiger denn je in ihrem Kampf für die Freiheit und gegen die russische Okkupation. Putin hat die Mehrheit des ukrainischen Volkes, nicht zuletzt durch das Verhalten der russischen Truppen in den besetzten Gebieten, dem traditionell befreundeten Russland entfremdet. Dadurch ist ein tiefer Graben zu Russland entstanden, nicht nur zur russischen Führung und zum Militär, sondern auch zur russischen Gesellschaft. Das ursprüngliche Band zwischen beiden Völkern, das durch viele Familienbande geknüpft war, ist auf absehbare Zeit zerschnitten.

Der Kreml kann nicht nur die ursprünglichen Ziele der Absetzung der Regierung in Kiew und der Unterwerfung der Ukraine nicht mehr erreichen. Auch die reduzierten Ziele der Eroberung des gesamten Donbass-Beckens und großer Teile der südlichen Ukraine einschließlich der Schwarzmeerküste sind nicht mehr erreichbar. Die jüngsten Erfolge der ukrainischen Armee deuten eher auf einen Kipppunkt zugunsten der Ukraine hin; über die Hälfte des von russischen Truppen besetzten Territoriums hat die ukrainische Armee befreit. Die russische Armee ist materiell und personell erheblich geschwächt![47] Die Zahlen der verwundeten und getöteten Soldat:innen auf beiden Seiten lässt sich nicht verifizieren, nur annähernd schätzen: Über die Hälfte der Soldat:innen der russischen Interventionsarmee vom 24. Februar2022 ist Schätzungen zufolge tot oder verwundet.[48] Die hastige Mobilisierung der letzten Monate unterstreicht die Probleme der russischen Armee; die Ausbildung der neuen, unausgebildeten Rekruten[49] ist kaum nennenswert, sie dauert Berichten zufolge nur wenige Tagen.[50] Im Gefecht haben diese Soldaten kaum eine Überlebenschance; dies führt offenkundig zu weiterem Widerstand unter den Soldaten, Befehlsverweigerungen und Desertionen. Auch auf ukrainischer Seite sind die menschlichen Verluste kaum geringer, allerdings hat es den Anschein, als sei die Bereitschaft auf Seiten der Soldat:innen wie der Zivilbevölkerung sehr hoch, das eigene Land und die errungene politische Souveränität gegen die russische Intervention zu verteidigen.

 

10. Waffenstillstand und positiver Friede

Schon heute sind wir dazu verpflichtet, über die Zeit nach dem Krieg nachzudenken. Forderungen nach einem Waffenstillstand werden regelmäßig gemacht. Einen Vorschlag für einen Friedensvertrag unter der Bezeichnung Reaching a Just and Lasting Peace in Ukraine, der weit über einen Waffenstillstand hinausgeht, hat die Science and Ethics Study Group um den US-Ökonomen Jeffrey D. Sachs, Direktor des UN-Sustainable Development Solutions Network, im Juni im Vatikan erarbeitet.[51] Das Wertefundament eines positiven Friedens ist den Autoren zufolge in Papst Johannes‘ XXIII. Friedensenzyklika Pacem in Terris (Nr. 80) dargelegt: Wahrheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Freiheit. „Such moral relations are needed not only between Russia and Ukraine, but also between Russia, the US, and the European Union”, heißt es weiter. In ihren konkreten Vorschlägen führt die Study Group unter Bezug auf das Istanbuler Kommuniqué der Ukraine vom März 2022 die nachfolgenden Eckpunkte auf:

  • Neutralität der Ukraine: kein NATO-Beitritt aber die Freiheit, der EU beizutreten;
  • Sicherheitsgarantien durch die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats plus EU und Türkei;
  • russische De-facto Kontrolle der Krim für einige Jahre, der eine De-Jure-Regelung folgen soll mit für Russland und die Ukraine interessanten ökonomischen wie sicherheitspolitischen Regelungen;
  • Autonomie der Gebiete Luhansk und Donezk im ukrainischen Staat;
  • sowie weitere Vorschläge, die den wechselseitigen Zugang zu den Schwarzmeerhäfen, die Aufhebung westlicher Sanktionen im Kontext eines russischen Truppenabzugs, ein internationaler Fonds zum Wiederaufbau der Ukraine und eines UN-Monitoring beinhalten.

Es kann an dieser Stelle offenbleiben, wie realistisch diese Vorschläge im Einzelnen sind; nicht zuletzt die Sicherheitsgarantie für die Ukraine benötigt wohl noch mehr diplomatische Phantasie. Die Vorschläge werden von offenkundig auch kirchlich verwurzelten Persönlichkeiten in die international-öffentliche Debatte eingebracht. Sie binden Fragen nach der Zukunft der umkämpften Gebiete mit den geopolitischen Konfliktthemen zusammen und werfen das extrem herausfordernde Problem der Versöhnung auf. Religionsgemeinschaften komme dabei eine Schlüsselstellung zu:

„Religious communities bring people together in the spirit of human dignity and justice under God, and have the ability and mission to bring people together across faiths and ethnicities as well. The Catholic Church, the Ecumenical Patriarchate, the Moscow Patriarchate, and the Orthodox Church of Ukraine are the pillars of a positive peace between Russia and Ukraine, and within the diverse communities within Ukraine, and can play a crucial role in the needed reconciliation process as a path to positive peace.”[52]

Ein positiver Friede zwischen den beiden Völkern setzt eine kritische Auseinandersetzung über das durch den Krieg und in dem Krieg begangene Unrecht voraus.[53] In einer gewissen Analogie zu der schmerzhaften Aufarbeitung von Kriegsverbrechen, die Deutsche im Zweiten Weltkrieg zu verantworten hatten, und der Übernahme von Verantwortung durch Repräsentanten des deutschen Volkes und Staates, ist eine Verantwortungsübernahme vor allem russischer Repräsentanten für den Überfall auf das Nachbarland und die schweren Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung eine Voraussetzung für eine versöhnliche Zukunft. Während den Vorschlägen der Study Group nun im Prinzip zuzustimmen ist, erscheint die Russisch-Orthodoxe Kirche unter Patriarch Kyrill durch ihre offene Parteinahme für den Krieg gegen die Ukraine kaum als Brückenbauer denkbar.

„Die Verstrickung der ROK (Russisch-Orthodoxen Kirche) in die kriegstreibende Ideologie Putins macht es unmöglich, mit ihr als Teil einer friedlichen Lösung zu rechnen“, so Regina Elsner. „Sie schützt weder ihre eigenen Gläubigen in der Ukraine noch diejenigen in Russland, die sich öffentlich gegen den Krieg äußern und durch den Staat unterdrückt werden.“[54] Auch die von Patriarch Kyrill propagierte Ideologie von der „Russischen Welt“, die eine ukrainische Identität und Eigenstaatlichkeit bestreitet,[55] steht einer Friedenslösung im oben adressierten Sinne im Weg.

Angesichts der Demonstrationen in vielen russischen Städten und der Aufrufe verschiedener gesellschaftlicher Gruppen in Russland wird aber deutlich, dass es Teile der russischen Gesellschaft gibt wie gering auch immer sie sein mögen –, die Putins Krieg offen ablehnen. Im September 2022 haben beispielweise in Sankt Petersburg und Moskau mehrere Stadtverordnete öffentlich die Duma, das russische Unterhaus, aufgefordert, Präsident Putin seines Amtes zu entheben bzw. wegen der Schädigung der Interessen Russlands vor Gericht zu stellen.[56] Wir können den enormen Mut dieser Menschen nicht hoch genug schätzen, die sich unter bewusster Inkaufnahme persönlicher Nachteile wie langer Gefängnisstrafen öffentlich gegen den Krieg in der Ukraine positioniert haben. Die Zahl der Verhafteten soll über Zehntausend liegen. Insgesamt stellt sich die Lage der russischen Zivilgesellschaft als extrem schwierig dar. Substanzielle Teile der Zivilgesellschaft, die sich gegen den Krieg gestellt hat, sind durch das Regime genauso wie die russische Opposition mundtot gemacht worden. Sie sind zum Schweigen verurteilt, sitzen in Straflagern oder sind ins Ausland geflüchtet. Hierzu gehören auch die Teile der russischen Gesellschaft, die seit der Niederschlagung der Opposition 2012 und erneut seit dem 24. Februar Russland verlassen haben: Es hat einen brain-drain von Intellektuellen, Künstler:innen, Journalist:innen und Fachkräften wie IT-Spezialist:innen erlebt, der auf drei bis vier Millionen Menschen geschätzt wird.

Wie enorm schwierig der Prozess hin zu einem positiven Frieden zwischen der ukrainischen und der russischen Gesellschaft auch werden wird, es gibt dazu keine Alternative, soll der Konflikt nicht früher oder später erneut aufbrechen. Weil die Zivilgesellschaft in Russland geknebelt ist und die ukrainische Gesellschaft von dem täglichen Überleben in Beschlag genommen ist, braucht es andere Orte und Akteure, die sich des Themas annehmen. Haben Kirchen bzw. Christ:innen in Deutschland in einem solchen, in die Zukunft weisenden Prozess eine Rolle? Da sich in Deutschland sowohl Geflüchtete aus der Ukraine als auch aus Russland aufhalten, wäre es schon ein erster Schritt, Sprachfähigkeit zu ermöglichen, gerade auch den russischen Intellektuellen, die sich gegen den Krieg gestellt haben.[57]

Wo sind die geschützten Räume, in denen Geflüchtete aus beiden Ländern in einen Dialog treten können? Kirchen und Christ:innen können sie bereitstellen.

 

 


[1] Mit diesem Begriff übersetzt die Denkschrift der EKD in meinen Augen zutreffend die aus der Tradition des bellum iustum hervorgegangene Kriteriologie zur Begrenzung der Gewalt im Fall staatlicher Selbstverteidigung mit militärischen Mitteln; vgl. Aus Gottes Frieden leben – für gerechten Frieden sorgen. Eine Denkschrift des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Gütersloh 2007,65f; weiterführend: Ines-Jaqueline Werkner / Peter Rudolf (Hg.), Rechtserhaltende Gewalt – zur Kriteriologie, Wiesbaden 2019.

[2] Vgl. Maryana Hnyp, Ukrainian Identity in Transition: Geopolitics and Values, in: H.G. Justenhoven (Hg.), Kampf um die Ukraine. Ringen um Selbstbestimmung und geopolitische Interessen, Baden-Baden 2018, 17-33.

[3] Vgl. auch Gwendolyn Sasse, Der Krieg gegen die Ukraine, München 2022, 14.

[4] Rüdiger von Fritsch, Zeitenwende. Putins Krieg und die Folgen, Berlin 2022, 63f.

[5] Ebd.

[6] Eine differenzierte Aufarbeitung der strategischen Herausforderungen angesichts des Beitrittswunsches der osteuropäischen Staaten einerseits und der sich von den demokratischen Anfängen unter Boris Jelzin weg entwickelnden Position Moskaus andererseits findet sich in: Mark E. Sarotte, Not One Inch. America, Russia and the Making of Post-Cold War Stalemate, Yale UP 2021, 213 ff.

[7] Rüdiger von Fritsch, Zeitenwende, 65.

[8] Vgl. Heinz-Gerhard Justenhoven, Frieden durch Recht. Zur Relevanz des internationalen Rechts in der Friedensethik der katholischen Kirche, in: M. Delgado (Hg.), Friedensfähigkeit und Friedensvisionen in Religionen und Kulturen, Stuttgart 2012, 259-276.

[9] Vgl. Kofi Annan, In größerer Freiheit: Auf dem Weg zu Entwicklung, Sicherheit und Menschenrechten für alle, UN Doc. A/59/2005: https://www.un.org/Depts/german/gs_sonst/a-59-2005-ger.pdf [16.11.2022]

[10] Vgl. Joseph Fischer, Das Vetorecht in seiner jetzigen Form erscheint nicht mehr angemessen. Rede des deutschen Außenministers vor der 54. UN-Generalversammlung (22.9.2022), in: Zeitschrift Vereinte Nationen 5, 1999: https://zeitschrift-vereinte-nationen.de/publications/PDFs/Zeitschrift_VN/VN_1999/Heft_5_1999/04_Rede_Fischer_VN_5-99.pdf [16.11.2022]

[11] Vgl. z.B. Benedikt XVI, Caritas in Veritate Nr. 67.

[12] Vgl. Peace through Law. Reflections on Pacem in Terris from Philosophy, Law, Theology and Political Science, hg.v. Heinz-Gerhard Justenhoven / Mary Ellen O’Connell, Baden-Baden 2016

[13] International Court of Justice, Allegations of Genocide under the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Ukraine vs. Russian Federation) Nr. 86 https://www.icj-cij.org/public/files/case-related/182/182-20220316-ORD-01-00-EN.pdf [23.11.2022]

[14] International Court of Justice, Allegations of Genocide under the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide Nr. 60.

[15] Vgl. https://www.icmp.int/where-we-work/europe/ukraine/ [Stand Ende November 2022].

[16] Vgl. An Independent Legal Analysis of the Russian Federation’s Breaches of the Genocide Convention in Ukraine and the Duty to Prevent, May 2022 [https://www.raoulwallenbergcentre.org/images/reports/newlines-russia-report.pdf] 5.9.2022

[17] Wolfgang Sofsky, Interview in: Neue Züricher Zeitung NZZ, 2.8.2022 [https://www.nzz.ch/feuilleton/russlands-offensive-in-der-ukraine-genozidale-kriegsfuehrung-ld.1696020], 5.9.2022

[18] Sergej Medwedew, Die Gewaltverbrechen der russischen Armee in der Ukraine…, in: NZZ 19.6.2022 [https://www.nzz.ch/meinung/etwas-archaisch-boeses-russland-und-seine-gewaltkultur-ld.1688815]

[19] Warlam Schalamow, Durch den Schnee. Erzählungen aus Kolyma 1, Berlin 2008  

[20] Vgl. Stefanie Bock, Potentiale und Grenzen. Das Völkerstrafrecht im Ukrainekrieg, in: Zeitschrift Osteuropa, 1-3, 2022, 87-99.

[21] Vgl. Kai Ambos, Doppelmoral. Der Westen und die Ukraine, Frankfurt/Main 2022, 37f.

[22] Parliament of Australia, Reports, allegations and inquiries into serious misconduct by Australian troops in Afghanistan 2005–2013, Research Paper Series, 9. November 2020 https://parlinfo.aph.gov.au/parlInfo/download/library/prspub/7623329/upload_binary/7623329.pdf [5.11.2021].

[23] Vgl. auch Patricia Schneider, Schuld und Sühne, in: IPG-journal, 19.5.2022, https://www.ipg-journal.de/rubriken/aussen-und-sicherheitspolitik/artikel/schuld-und-suehne-1-5952/ [23.11.2022]

[24] Vgl. z.B. August Pradetto, Krieg oder Frieden: Die Ukraine im Fadenkreuz, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 3/2022, 43; Wolfgang Palaver, Wie widerstehen? Christliche Friedensethik und der Ukrainekrieg, in: Herder-Korrespondenz 76, 2022. 21.

[25] Michael von der Schulenburg, In der Ukraine muss es darum gehen, den Frieden und nicht den Krieg zu gewinnen, veröffentlicht im: Wall Street Journal 9.10.2022, auf Deutsch: https://michael-von-der-schulenburg.com/in-der-ukraine-muss-es-darum-gehenden-frieden-und-nicht-den-krieg-zu-gewinnen/ [16.11.2022]

[26] Ebd.

[27] Vgl. Sabine Fischer, Friedensverhandlungen im Krieg zwischen Russland und der Ukraine: Mission impossible, SWP-Aktuell Nr. 66, Oktober 2022 S.4, https://www.swp-berlin.org/publications/products/aktuell/2022A66_krieg_russland_ukraine_Web.pdf [16.11.2022]

[28] Vgl. Mariyana Budjeryn / Andreas Umland, Damage Control. The Breach of the Budapest memorandum and the Nuclear Non-Proliferation Regime, in: Oxana Schmies u.a. (Hg.), NATO’s Enlargement and Russia. A Strategic Challenge in the Past and Future, Hannover 2021, 177-190.

[29] Vgl. Sabine Fischer, a.a.O.

[30] Vgl. Sascha Werthes, Politische Sanktionen im Lichte rechtserhaltender Gewalt, in: Ines-Jacqueline Werkner/Peter Rudolf (Hg.), Rechtserhaltende Gewalt – zur Kriteriologie, Wiesbaden 2019, 121-150, 131.

[31] Sascha Werthes, Politische Sanktionen im Lichte rechtserhaltender Gewalt, 144f.

[32] Vgl. Annegret Bendiek, EU-Russland-Sanktionen, in: Wirtschaftssanktionen gegen Russland – internationale Perspektiven und globale Auswirkungen, https://www.swp-berlin.org/publikation/wirtschaftssanktionen-gegen-russland-internationale-perspektiven-und-globale-auswirkungen#publication-article-52 [24.11.2022]

[33] “… international sanctions and voluntary business retreats have exerted a devastating effect over Russia’s economy”. Jeffrey Sonnenfeld / Steven Tian, Actually, the Russian economy is exploding, in: Foreign Policy 7/22/2022 foreignpolicy.com/2022/07/22/russia-economy-sanctions-myths-ruble-business/ [6.8.2022]

[34] Ebd.

[35] „Ziviler Widerstand ist effektiver“, Interview mit Véronique Dudouet in der taz, 19.4.2022. Sie verweist auf Erica Chenoweth & Maria J. Stephan, Why Civil Resistance Works. The Strategic Logic of Nonviolent Conflict, Columbia University Press 2011.

[36] Vgl. https://www.katholisch.de/artikel/33719-ukraine-krieg-theologen-widersprechen-justitia-et-pax [16.11.2022]

[37] Vgl. Felip Daza Sierra, Ukrainischer gewaltfreier ziviler Widerstand im Angesicht des Krieges. Analyse der Trends, Auswirkungen und Herausforderungen der gewaltfreien Aktionen in der Ukraine zwischen Februar und Juni 2022, Barcelona 2022.

[38] Vgl. hierzu Timothy Snyder, Bloodlands. Europa zwischen Hitler und Stalin, München 2011, 169-318.

[39] Vgl. Wladimir Putin, Rede an die Nation vom 21.2.2022, in: Zeitschrift Osteuropa, [https://zeitschrift-osteuropa.de/blog/putin-rede-21.2.2022/] 13.9.2022. Vgl. auch Oleksandr Zabirko, Russkij Mir und Novorossija. Theologische und nationalistische Konzepte russischer (Außen-)Politik, in: H.G. Justenhoven, Kampf um die Ukraine, Baden-Baden 2018, 63-77.

[40] Vgl. Martin Schulze Wessel, Faschismus? Genozid? Vernichtungskrieg? In: FAZ 25.7.2022, S. 6

[41] So Timothy Snyder, Wenn die Realität die Regie übernimmt – wie der Ukraine-Krieg ohne nukleare Eskalation zu einem Ende finden könnte, NZZ 16.10.2022 https://www.nzz.ch/meinung/timothy-snyder-wie-der-ukraine-krieg-ohne-bombe-enden-koennte-ld.1706730 [23.11.2022]

[42] Lydia Wachs, Die Rolle von Nuklearwaffen in Russlands strategischer Abschreckung, SWP-Aktuell Nr. 59, September 2022, S.2.

[43] Lydia Wachs, a.a.O. S.3.

[44] Eine schlechte Nachricht für Putin, taz 6.11.2022 https://taz.de/Xis-Warnung-an-Moskau/!5890228/ [24.11.2022]

[45] Mit Fragen des Probabilismus in der Friedensethik hat sich schon Gabriel Velázquez im 16. Jahrhundert befasst: vgl. Merio Scattola, „Wie der König im Krieg nach der wahrscheinlichen Meinung handeln soll.“ – Die Kriegslehre des Gabriel Velázquez im Horizont des Probabilismus, in: Norbert Brieskorn/Markus Riedenauer (Hg.), Suche nach Frieden: Politische Ethik in der Frühen Neuzeit Bd. III, Stuttgart 2003, 119-153.

[46] 79% der ukrainischen Bevölkerung sind kategorisch gegen Zugeständnisse bei der Souveränität des Landes; Vgl. Reinhard Vesper. Widerstand um jeden Preis, FAZ 12.9.2022, S.8

[47] Vgl. Press Conference with NATO with NATO Secretary General Jens Stoltenberg and the US Secretary of State, Antony J. Blinken, [https://www.nato.int/cps/en/natohq/opinions_207182.htm] 12.9.2022

[48] Die Verluste auf ukrainischer Seite belaufen sich in etwa auf die gleiche Höhe, so die Schätzung des US-Generals Mark A, Milley, Chairman of the Joint Chief of Staff. Vgl. Washington Post 10.11.2022;  https://www.washingtonpost.com/world/2022/11/10/number-russian-troops-killed-injured-ukraine/[15.12.2022]

[49] In der russischen Armee werden Frauen nur als Freiwillige eingesetzt.

[50] Novaya Gazeta, Kanonenfutter: „Wenn sie sterben – umso besser, 10.8.2022, www.dekoder.org/de/a,rticle/rekrutierung-soeldner-armee-ukraine-krieg [12.9.2022].

[51] Vgl. Reaching a Just and Lasting Peace in Ukraine https://www.unsdsn.org/participants-of-the-science-and-ethics-of-happiness-study-group-call-on-religious-leaders-for-peace [24.11.2022]

[52] Reaching a Just and Lasting Peace in Ukraine

[53] Vgl. Hans-Richard Reuter, Ethik und Politik der Versöhnung, in: Gerhard Beestermöller/Hans-Richard Reuter (Hg.), Politik der Versöhnung, Stuttgart 2002, 29f.

[54] Vgl. Regina Elsner, Leider keine Friedenskraft, Die Verstrickung der russischen Orthodoxie in den Krieg, in: Zeitzeichen, zeitzeichen.net/index.php/node/9634 [28.11.2022]

[55] Diese Position ist in der Orthodoxie heftig kritisiert worden: Erklärung zur Lehre von der „Russischen Welt“ (Ruskij Mir) orthodoxer Theologen vom 13.3.2022, unterschrieben von fast 1.500 orthodoxen Theolog/innen weltweit:  https://www.polymerwsvolos.org/2022/03/24/erklarung_zur_lehre_von_der_russischen/ [8.6.2022].

[56] Vgl. Das russische Nachrichtenportal The Insider, Municipal deputies in 18 Moscow and St. Petersburg districts demand Putin's resignation, 12.9.2022, [https://theins.ru/en/news/254943] 13.9.2022

[57] www.dekoder.org ist eine Plattform, auf der russische Dissidenten in Deutschland ihre alternativen Positionen veröffentlichen können.