Hamburg - 31.01.2022

Klimawandel und Sicherheit

Herausforderungen durch den Klimawandel

von Dr. Eva Högl

Seit dem Übereinkommen von Paris 2015 ist es das verbindliche Klimaziel Deutschlands, daran mitzuarbeiten, die globale Temperatursteigerung auf möglichst 1,5°C zu begrenzen, und es realisiert diese Selbst­verpflichtung durch konkrete und ambitionierte Ziele zur Minderung von Treibhausgas. Die vorangegangene Bundesregierung hatte für das Jahr 2030 eine Senkung der klimaschädlichen Emissionen um mindestens 55 % – bezogen auf das Basisjahr 1990 – vorgegeben. Als Fernziel soll eine annähernde Klimaneutralität Deutschlands bis 2050 durch eine Senkung der Emissionen um 80 bis 95 % erreicht werden.

In diesem Rahmen dokumentiert der Nachhaltigkeitsbericht des Bundesministeriums der Verteidigung und der Bundeswehr 2020, dass und wie die Bundeswehr nachhaltigen Entwicklungszielen verpflichtet ist und ihren Beitrag zur Begrenzung des Klimawandels und zur Nachhaltigkeit leistet. Erheblichen Einfluss auf dem Weg zum Erreichen dieses Ziels haben die Bereiche nachhaltiges Bauen, Energieverbrauch und nachhaltige Mobilität. Die Bundeswehr strebt an, dort, wo es möglich ist, auch im Zuge der notwendigen energetischen Sanierung ihrer Gebäude zur Erzeugerin, Lieferantin und Nutzerin von Energie zu werden – alles aus und in einer Hand. Die Bundeswehr ist zudem mit ihren rund 1.500 Liegenschaften und mehr als 170 Übungsplätzen mit einer Gesamtfläche von mehr als 200.000 Hektar die größte Nutzerin bundeseigener Liegenschaften in Deutschland. Deshalb hat das Bundesministerium der Verteidigung auch vor zwei Jahren das „Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen“ für den Neubau von Unterkunftsgebäuden der Bundeswehr eingeführt. Das Bewertungssystem analysiert die ökologische, ökonomische und funktionale Qualität von Gebäuden. Dabei wird zum Beispiel der Verbrauch von Wasser, Energie oder Fläche geprüft. Auch etwa die Einbindung erneuerbarer Energien, die Gebäudelebensdauer oder Aspekte der Gesundheit werden untersucht. Je nachdem, wie all diese Kriterien erfüllt sind, wird ein Gebäude zertifiziert.

Wie das BMVg daher zutreffend in seinem Vorwort zum Bericht festgestellt hat, leistet die Truppe mit ihren Maßnahmen im Umwelt- und Naturschutz und bei der Reduzierung des Strom- und Wärmeenergieverbrauchs einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung in unserem Land. Das ist in vielen Einzelpunkten belegt und widerlegt nachdrücklich den gerne erhobenen Vorwurf des „Greenwashings“. Der Bericht zeigt zugleich, dass die Bundeswehr die Anstrengungen zur Minderung des Kohlendioxid-Ausstoßes fortsetzt. Dazu gehört auch die nachhaltige Gestaltung von Mobilität. So hat die Truppe etwa auf die steigende Nachfrage nach Fahrzeugen mit Elektroantrieb reagiert und plant bis zu 30.000 Stellplätze für Ladesäulen auch für private Elektrofahrzeuge der Soldatinnen und Soldaten bis 2050.

Nachhaltigkeit bei der Energiegewinnung, vor allem durch Photovoltaik, ist für die Bundeswehr auch bei ihren Auslandsmissionen von Bedeutung. Ein Beispiel für die Integration dieser Technologie ist der Lufttransportstützpunkt in Niamey, wo 16 Prozent der Maximalleistung des Energieverbrauchs durch Photovoltaik erzeugt werden. Damit ist nicht nur ein militärischer Nutzen durch die verbesserte Autarkie für die dort eingesetzten Soldatinnen und Soldaten verbunden, sondern auch ein weiterer Schritt in Richtung einer „grünen“ Energieversorgung getan. Nachhaltigkeit wird dort zudem durch Kooperation erzielt, indem einerseits die Bundeswehr ihr Abwasser über eine Kläranlage im französischen Teil des Camps behandeln lässt, das dann dem natürlichen Wasserkreislauf wieder zugeführt wird, und andererseits die Franzosen ihren Anteil des Camps mit Strom über die deutsche Photovoltaikanlage versorgen.

Diese Beispiele machen deutlich: Der Beitrag der Bundeswehr zum Klima- und Umweltschutz reicht vom Großgerät über Gebäude und Liegenschaften bis zu der Art und Weise, wie die Truppe ihren Dienst und ihr Umfeld organisiert, und dieser Beitrag ist häufig deutlich besser, als vielleicht vermutet wird. Wer in die Details dieser vielfältigen Maßnahmen für Nachhaltigkeit und Klimaschutz blickt, erkennt schnell, dass die Bundeswehr im öffentlichen Sektor sogar Vorreiterin ist.

Aber das alles kann noch einmal frischen Schwung erhalten durch die von der neuen Bundesregierung und der Koalition im neuen Deutschen Bundestag für die kommende Legislaturperiode vereinbarten Maßnahmen. Dabei darf natürlich nicht außer Acht gelassen werden, dass alles Engagement der Truppe und alle Maßnahmen im Nachhaltigkeits- und Klimaschutzsektor unter der Voraussetzung und verfassungsmäßigen Vorgabe stehen, dass die Einsatzfähigkeit der Truppe darunter nicht leiden oder eingeschränkt werden darf. Unter dieser Vorbedingung könnte die Bundeswehr durchaus zu einem der Technologietreiber für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz in unserem Land werden. Einsatzbereitschaft und Nachhaltigkeit sollten zwei Seiten einer Medaille sein.

Mit ihren effektiven Beiträgen zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz ist die Bundeswehr bereits heute signifikanter „Player“ in der militärischen Debatte zum sogenannten Green Army-Konzept, mit dem in der aktuellen politischen Klimadiskussion der Verteidigungssektor als Teil der Klimapolitik verstanden wird. Stefan Bayer, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg und stellvertretender Leiter des German Institute for Defence and Strategic Studies (GIDS) hat zusammen mit Simon Struck einen bemerkenswerten Beitrag zu diesem Thema mit dem Titel „Trendszenario Grüne Armee: Strategische Überlegenheit durch Nachhaltigkeit?“[1] am Beispiel der Schweizer Armee geschrieben. In ihrem Fazit kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass der Innovationsprozess im Verteidigungssektor „grüne Streitkräfte“ zu einem Treiber alternativer Energiesysteme machen könnte und dass zudem eine verbesserte Einsatzbereitschaft von Streitkräften durch grüne Technologien möglich wäre. Eine Perspektive, die innerhalb der militärischen Nachhaltigkeitsdebatte an Gewicht gewinnen sollte.

Meine zahlreichen Gespräche mit Soldatinnen und Soldaten aller Dienstgrade während meiner Truppenbesuche zeigen auch: Viele sind sehr interessiert an Nachhaltigkeit und Klimaschutz, sie wünschen sich Fortschritte bei diesem wichtigen Thema und sie sind motiviert, daran mitzuarbeiten. Und manche oder mancher ist sich übrigens durchaus bewusst, dass das kostenlose „Bahnfahren in Uniform“, dessen Einführung ich sehr begrüßt habe, zugunsten des Klimaschutzes ein erheblicher Zugewinn ist. Der erleichterte Umstieg auf das Verkehrsmittel Bahn kann in einer Pendlerarmee mit rund 180.000 berechtigten Soldatinnen und Soldaten zu einer deutlich verbesserten CO2-Bilanz führen. Die Bundeswehr handelt auf der Höhe der Zeit, und es wäre zu wünschen, wenn dieses Konzept auch in anderen Teilen des öffentlichen Dienstes und ebenfalls in der Privatwirtschaft Anwendung finden würde.

Lenkt man den Blick von den nationalen und europäischen Anstrengungen um Klimaschutz- und Nachhaltigkeit auf die internationale Ebene, dann wäre hier – nicht zuletzt beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen – ein vergleichbares Engagement sehr zu wünschen. Von 2019 bis 2020 war Deutschland nichtständiges Mitglied im Sicherheitsrat der VN und hatte dort die Gelegenheit, auch beim Thema Klima und Sicherheit eigene Akzente zu setzen. Die Erfahrungen weltweit zeigen: Durch Klimafolgen werden bestehende Konflikte verstärkt oder neue geschaffen, etwa in der Tschadseeregion, in Sudan, Afghanistan oder Mali. Internationale Konflikte sind multikausal. Der Klimawandel tritt dabei als Verstärker und Mitverursacher von bestehenden Konflikten auf, wie bereits das Weißbuch der Bundesregierung von 2016 festgestellt hat.

In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten wurde international zu wenig über den Klimawandel als Verstärker oder Mitverursacher von Konflikten, etwa aufgrund der unzureichenden Lebenslage von Menschen, der unterschiedlichen Verteilung von Ressourcen oder der Empfänglichkeit für Extremisten, diskutiert. Der Klimawandel wurde zwar stetig mitgenannt, implizit oder auch ausdrücklich – klare Schlüsse, die in konkretes Handeln münden, wurden jedoch so gut wie keine gezogen. Das alles, obwohl es in dieser Frage längst kein Analysedefizit mehr gibt, wohl aber ein Umsetzungsdefizit.

Der damalige Bundesaußenminister sagte in seiner Rede vor dem Sicherheitsrat: „Der Klimawandel ist real. Er wirkt global. Und er wird immer mehr zur Gefahr für Frieden und Sicherheit. Deshalb gehört die Debatte über die sicherheitspolitischen Folgen des Klimawandels hierher, in den Sicherheitsrat.“[2] Leider scheiterte eine Resolution dazu am Widerstand der ständigen Mitglieder USA, China und Russland, sowie Indonesiens und Südafrikas. Immerhin gelang es, eine Erklärung zu den Gefahren des von Menschen gemachten Klimawandels für die internationale Sicherheit und das Konfliktgeschehen auf den Weg zu bringen, die von Zweidrittel der Mitglieder des Sicherheitsrates getragen wurde.

Im Dezember 2021 scheiterte erneut ein Versuch, eine Resolution des Sicherheitsrats zum Thema Klimawandel und internationale Sicherheit zu beschließen. Die deutsche Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Antje Leendertse, erklärte dazu: „Diese Resolution hätte den Vereinten Nationen die dringend nötigen Instrumente an die Hand gegeben, um sich mit Sicherheitsrisiken im Klimazusammenhang zu befassen.“ Und sie stellte fest: „Die Klimakrise ist eine ernsthafte Herausforderung für Frieden und Sicherheit, für Stabilität und Wohlstand, für die effektive Wahrnehmung von Menschenrechten und in manchen Fällen sogar für die Existenz von Staaten.“ Aller Erfahrung nach dürfte es letztlich eine Frage der Zeit beziehungsweise des internationalen Problembewusstseins und Drucks sein, bis das mächtigste VN-Gremium die Auswirkungen des Klimawandels offiziell oben auf seine politische Agenda setzt. Im Global Risks Report 2021 indessen rangieren die Folgen des Klimawandels stabil auf den vordersten Plätzen der aktuellen Risikolisten. Das „Versagen von Klimaschutzmaßnahmen“ gilt demnach als folgenreichstes und zweitwahrscheinlichstes langfristiges Risiko weltweit.

Auch die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik schreibt: „Unstrittig ist, dass ein ungebremster Klimawandel verheerende Auswirkungen auf die menschliche Sicherheit hätte und letztlich eine zivilisatorische Bedrohung bedeuten würde, wie auch der kürzlich erschienene 6. Sachstandsbericht des Weltklimarats eindrücklich belegt“ – so in ihrer Anmerkung zum Aktionsplan für Klimawandel, den die NATO im Juni vergangenen Jahres verabschiedet hat. Für die Bundeswehr und die deutsche und europäische Sicherheitspolitik ist die Haltung der NATO zu diesem Thema unmittelbar von Bedeutung. Der Aktionsplan zum Klimawandel, der auf dem NATO-Gipfeltreffen in Brüssel am 14. Juni 2021 verabschiedet wurde, dient dazu, die Emissionen von NATO-Einrichtungen zu verringern und Anpassungen an das durch den Klimawandel bedingte Sicherheitsrisiko vorzunehmen – bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Fähigkeiten der NATO-Mitglieder zur Abschreckung und zur Verteidigung.

Die neue Regierungskoalition hat sich in ihrem Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt, die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr zu erhöhen, etwa indem sie die persönliche Ausrüstung der Soldatinnen und Soldaten wie auch das Material und Gerät der Bundeswehr verbessern will. Dabei sollten gerade die neuen infrastrukturellen und strategischen Probleme infolge des Klimawandels in aktuellen und zukünftigen Einsatzregionen konsequent berücksichtigt werden.

Bei den Klimafolgen im eigenen Land haben wir im vergangenen Jahr gesehen, dass die Bundeswehr mit der großartigen Amtshilfe beim Katastrophenschutz auch an Belastungsgrenzen gekommen ist, wenn zivile Strukturen dadurch ersetzt wurden. Der 2020 gestartete umfangreiche Amtshilfeeinsatz der Bundeswehr gegen die Corona-Pandemie war nach Dauer, Umfang und Intensität in den 65 Jahren des Bestehens der Bundeswehr beispiellos, zusammen mit den überaus erfolgreichen Amtshilfeeinsätzen zur Unterstützung und Beseitigung der Folgen der Hochwasserkatastrophe in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Bayern. Dieses Engagement führte andererseits dazu, dass es noch eine ganze Zeit brauchen wird, um die Bundeswehr wieder auf den Stand zurückzuführen, den sie vor der Pandemie hatte. Zu massiv war der Zugriff auf Kapazitäten, beispielsweise in der wichtigen Aus- und Fortbildung und bei Übungen.

Angesichts mancher Überlegungen in der öffentlichen Debatte, zukünftig Streitkräfte bei weltweiten Klimakatastrophen einzusetzen, zeigen diese Erfahrung jedoch, dass ein Bündniseinsatz für die Bundeswehr bestenfalls zum Schutz und zur militärischen Sicherung ziviler Katastrophenhilfe denkbar ist. Ein militärisches „Technisches Hilfswerk“ zur weltweiten Katastrophenhilfe ist sie ganz gewiss nicht. Sinnvoll erscheint demgegenüber eher eine internationale politische Kraftanstrengung, in den betroffenen Ländern und Regionen die zivile Katastrophenhilfe auszubauen und zu stärken. Mit seinem entwicklungspolitischen Ansatz des Katastrophenrisikomanagements hilft Deutschland hier bereits. Er hat das Ziel, so weit wie möglich zu verhindern, dass extreme Naturereignisse in Folge des Klimawandels zu Katastrophen führen und hilft zudem, bereits erzielte Fortschritte in Entwicklungspartnerländern bewahren.

 


[1]https://www.vtg.admin.ch/de/armee.detail.news.html/vtg-internet/verwaltung/2021/21-09/210914_1_strategische_ueberlegenheit_durch_nachhaltigkeit.html

 

[2] Statement von Außenminister Heiko Maas in der Offenen Debatte des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen “Addressing the Impacts of Climate-related Disasters on International Peace and Security”, 25.01.2019, https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/maas-klimauno/2182050