Hamburg - 08.04.2022

Buchrezension: "Warum Replikanten die besseren Menschen sind"

Karsten Schmidt, Tectum-Verlag 2021, 180 Seiten, 39 €

von Heinrich Dierkes, zebis

Postmoderne und Transhumanismus, Replikanten und Substanz-Metaphysik – Begriffe aus der Zukunft? Begriffe für die Gegenwart? Schon im Untertitel („Postmoderne, Posthumanismus und Religion in den „Blade Runner“-Filmen“) dieser sehr interessanten und mit großer Akribie verfassten Schrift wird deutlich, dass die Grenzen fließend sind – wie auch in der filmischen Darstellung von „Blade Runner“ und „Blade Runner 2049“. Die beiden Genre-Filme – uraufgeführt 1982 und 2017 – spielen wieder und wieder mit diesen fließenden Grenzen von Gegenwart und Zukunft, von Realität und Fiktion und lassen dadurch den Zuschauer, die Zuschauerin häufig fragend und zweifelnd zurück. Zukunft oder Gegenwart? Fiktion oder Realität?

Karsten Schmidt hat sich an die beiden Filme gemacht, um an ihnen eine Art Filmexegese durchzuführen und sie zu hinterfragen, inwiefern sich hier (fiktionale) Aussagen über das Menschsein in der Zukunft finden lassen. Angereichert mit vielen Bildern aus den Filmen geht es immer auch um Auseinandersetzungen zwischen Menschen und Replikanten, also biotechnisch entwickelten Androiden, die eben in allem besser „ausgestattet“ sind als Menschen. Kleinteilig und ausgesprochen kenntnisreich stellt Schmidt nicht nur dar, sondern deutet auch, sodass als Lesevoraussetzung eigentlich gegeben sein muss: Man sollte beide Filme gesehen haben! Nur so kann man sich wirklich mit dem Buch und den Beschreibungen und Herleitungen auseinandersetzen. Das Buch allerdings ist klug komponiert und aufgebaut und möchte immer wieder auch den Bezug zur Religion herstellen. Hier bleibt es leider hinter seinem Anspruch zurück, hat man doch den Eindruck, dass es sich dabei eher um eine Art Appendix zur Frage der Menschlichkeit, des menschlichen Handelns (aus Berechnung) handelt. Religion sollte aber durchaus mehr sein als eine Art „Bebilderung“ und mystischer Überbau für sehr erfolgreiche Hollywood-Produktionen.

Aber schließlich geht es in „Warum Replikanten die besseren Menschen sind“ nicht nur um eine Darstellung und Deutung der beiden „Blade Runner“-Filme, sondern Karsten Schmidt führt umfangreich vor, wie man im Philosophie- und Ethik-Unterricht allgemein mit Filmen umgehen kann. Irgendwie ist das also auch ein Lehrbuch – und eröffnet somit gleich einen mehrfachen Nutzen. Und genau davon – von diesem Lehrbuch – hätte man sich in diesem Werk noch mehr gewünscht, denn da hat Schmidt seine wirklichen Fähigkeiten.

Sicherlich muss man schon auch ein wenig ein Freak sein, um die vielen Schichten und Dimensionen wirklich durchdringen und nachvollziehen zu können. Auch dann aber ist dieses Buch etwas ganz Besonderes.