„Gesundheit beeinflusst Sicherheit, Sicherheit beeinflusst Gesundheit“

Gesundheit, Sicherheit, Stabilität. Politische, ethische und praktische Fragen im Kontext von Global Health Security

Bereits zum vierten Mal kooperierte das zebis mit der Sanitätsakademie der Bundeswehr München, um in bewährter Weise einen wehrmedizinethischen Studientag zu verwirklichen. Rund 35 Soldatinnen und Soldaten des Sanitätsdienstes, ausgebildet in Medizin, Zahnmedizin und Pharmazie, kamen am 6. Oktober 2022 an die Katholische Akademie in München, um sich mit dem Thema globale Gesundheitssicherheit auseinanderzusetzen. Im Zusammenhang mit Ausbrüchen von Infektionskrankheiten wie Ebola, Covid-19 oder Affenpocken stellen sich vielfältige Fragen, die insbesondere für die Streitkräfte von hoher Relevanz sind. Die verschiedenen Beiträge und Diskussionsforen gingen dabei vor allem auf medizinische Herausforderungen und ethische Fragen ein. 

Global Health Security betreffe alle, machte Generalstabsarzt Dr. Hans-Ulrich Holtherm, Kommandeur der Sanitätsakademie der Bundeswehr München, in seinem Grußwort deutlich. Im Namen des Inspekteurs des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, Generaloberstabsarzt Dr. Ulrich Baumgärtner, wies er unter anderem auf Faktoren wie Klimawandel, Migration und Bevölkerungswachstum in Subsahara-Afrika hin, die das Risiko für die Ausbreitung von Infektionskrankheiten erhöhen. Er dankte dem zebis für das Engagement für den Studientag.

Den Zusammenhang von Gesundheit, Sicherheit und Stabilität als sicherheitspolitische und (friedens-)ethische Querschnittsaufgabe hob auch zebis-Direktorin Dr. Veronika Bock in ihrem Grußwort hervor. Die hohe gesellschaftliche Relevanz von Global Health Security als stabilisierendem und damit letztlich friedensförderndem Faktor müsse stärker in den Blick genommen werden. Sie verwies zudem auf die unzähligen Angriffe der russischen Armee auf die ukrainische Gesundheitsversorgung, welche die Weltgesundheitsorganisation verzeichnet. Der brutal geführte Angriffskrieg ziele auf die Zerstörung der Gesundheitsinfrastruktur des Landes. Zur ethischen Reflexion lud auch der stellvertretende Leitende Katholische Militärdekan Jürgen Andreas Eckert in seinem Grußwort ein. 

Gesundheit beeinflusst Sicherheit, Sicherheit beeinflusst Gesundheit. In ihrer eindrücklichen Keynote beschrieb Oberstveterinär Dr. Katalyn Roßmann die Wechselwirkung von Faktoren wie Migration und Flucht, Globalisierung und Reiseverkehr, Wirtschaft und Zersiedelung. Sie legte den Angehörigen des Sanitätsdienstes dar, dass sie ihren Heilberuf auch im Kontext von Kriseneinsätzen und Stabilisierungsmissionen ausüben. Zudem hielt sie (selbst-)kritisch Rückschau auf den Einsatz von Bundeswehr und Deutschem Roten Kreuz zur Eindämmung der Ebola-Epidemie in Westafrika 2014/15. Vor allem in Liberia fehlten Ärzte, Logistiker und Helfer; die NGOs hatten ihre medizinischen Präventionsprogramme abgebrochen. Doch waren die Möglichkeiten in Ermangelung von Ressourcen und entsprechender Befehle sehr begrenzt. Anders in der Coronapandemie und beim Ausbruch der Affenpocken: Bei der Herausforderung, durch Innovation, ressortübergreifender Zusammenarbeit und Lernfähigkeit der Herausforderung zu begegnen, habe in diesen Fällen „die Lernkurve nach oben“ gezeigt. Dies sei die Aufgabe der Einsatzkräfte in komplexen, chaotischen Lagen. Mit anhaltendem Applaus brachte das Publikum Zustimmung zum Ausdruck.  

Engagiert debattierten die Teilnehmenden in anschließenden Arbeitsgruppen: Flottenarzt a.D. Dr. Volker Hartmann, Oberstarzt Dr. Christian Fürlinger und Oberstleutnant Pascal May widmeten sich in ihrer Arbeitsgruppe vor allem dem Ausbruch der Affenpocken seit Mai 2022 in Europa. Gemäß Robert-Koch-Institut sind sexuelle Aktivitäten unter Männern der hauptsächliche Übertragungsweg. Was bedeutet dies für eine sensible, effiziente Aufklärung und Information sowie für eine gerechte Verteilung begrenzter Kapazitäten bei Impfungen? Die Verantwortung zu delegieren sei keine Lösung, betonten die Referenten. 

In die zweite Arbeitsgruppe unter Leitung von Dr. Katalyn Roßmann brachten der Geologe und Afrikaexperte Rainer Roßmann sowie der Soziologe und Journalist Martin Calsow ihre Erfahrungen und kritische Fragen ein. Anhand etwa der Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen arbeiteten die Teilnehmenden die globalen Aufgaben der Bundeswehr im Gesundheitsschutz heraus. Am Beispiel einer Strategie für einen Schutz vor Tollwut in der Landes- und Bündnisverteidigung wurde dies deutlich: „Wir sind für mehr verantwortlich als das, wofür wir zuständig sind!“ 

Ein Fazit ist das Plädoyer für eine „Ethik der Menschlichkeit“, die gerade für die Sanitätsoffiziere wegleitend sein soll. In seinem Schlusswort betonte Dr. Hans-Ulrich Holtherm die Bedeutung der ethischen Bildung für die Soldatinnen und Soldaten, die durch ihren Beruf zwangsläufig in schwierige Situationen kommen werden. Seinem Dank an alle Mitwirkenden schloss sich Dr. Veronika Bock in ihrem Schlusswort an: Insbesondere gilt dieser Flottenarzt a.D. Dr. Volker Hartmann, der die gute Kooperation zwischen Sanitätsakademie und zebis in den zurückliegenden Jahren maßgeblich unterstützt hat. 

Julia Böcker 

Fotos: Julia Langer (SanAkBw)