Führung als stetiger Lernprozess

Bericht zur Fortbildung der Ausbilderinnen und Ausbilder an der Offiziersschule des Heere in Dresden (29./30.3.2022) zum Thema "Führungsethik"

Führung ist eine Selbstverständlichkeit, gerade in einer Armee wie der Bundeswehr. Militärische Vorgesetzte müssen ständig Entscheidungen treffen, Mitteleinsatz abwägen, Aufträge erteilen, anleiten und ausbilden. Jeder und jede entwickelt dabei seinen persönlichen Stil, vielleicht sogar eine Art „Führungsphilosophie“, und bewegt sich dabei in einem durch die Organisationskultur und offizielle Leitlinien wie die Innere Führung gesteckten Rahmen.

Meist braucht es einen Raum und einen speziellen Rahmen, um über Selbstverständlichkeiten nachzudenken – und genau diesen bot das von Kristina Tonn und Heinrich Dierkes geleitete Seminar den 15 Teilnehmern der Offiziersschule des Heeres (OSH) in Dresden. Die Hörsaalleiter und Inspektionschefs, erfahrene Stabsoffiziere im Rang vom Major bis zum Oberst, blicken auf vielfältige Führungsverwendungen zurück, bilden selbst in Führung aus und tragen Verantwortung für Untergebene.

Die intensive anderthalbtägige Veranstaltung am 29./30. März 2022 war daher der „Führungsethik“ gewidmet – der Reflexion über Werte und Normen beim Führen und Geführtwerden. Dafür bedarf es eines vertieften Verständnisses von Führungsmodellen und -rollen, von moralischen und ethischen Fragestellungen sowie der Bereitschaft zum kritischen Hinterfragen auch des eigenen Führungshandelns. Methodisch abwechslungsreich – mit kurzen Vorträgen, Gruppenarbeit, Diskussionen und anhand zweier Filme („Balance“ und „Der Schatten“[1]) – und systematisch erarbeiteten die Teilnehmer mit der Unterstützung der beiden zebis-Referenten zahlreiche Aspekte.

Nach einer kurzen Reflexionsrunde zur Frage „Wozu Führungsethik?“ wurde es schnell „persönlich“, als die Teilnehmer ihre wichtigsten Werte verglichen, sich über eigene Führungsvorbilder austauschten und wesentliche Werte für die Bundeswehr benannten. „Es war interessant zu sehen, wie unterschiedlich zum Teil die individuelle Gewichtung ausfiel“, sagt Kristina Tonn. „Das zeigt, dass es beim Thema gute Führung einerseits kein Schema F gibt. Wir müssen auf die Menschen mit ihren verschiedenen Zugängen eingehen.“

Auf der anderen Seite bedeutet das selbstverständlich nicht, dass sich Führung einer ethisch-moralischen Bewertung entzieht. Im weiteren Verlauf vertiefte die Gruppe daher unter anderem verschiedene ethische Perspektiven, Beurteilungskriterien und die Prinzipien Subsidiarität, Personalität und Solidarität aus der Sozialethik sowie ihre Anwendung in der Führung. Darüber hinaus wurden Dimensionen der Führung (sich selbst führen, andere Menschen führen, Organisationen führen) diskutiert, während die Teilnehmer gegen Ende die im Verlauf des Seminars geschulte ethische Urteilskompetenz auf typische Konfliktsituationen und Lösungsmöglichkeiten anwenden konnten.

Neben diesen Inhalten kam auch der Blick auf den Berufsalltag, auf die Herausforderungen und die „schönen Seiten“ des Führens nicht zu kurz. Ein einfaches Rezept für gute Führung gibt es nicht; umso wichtiger ist, wie die Teilnehmer selbst betonten, die Entwicklung von Empathiefähigkeit oder die Bereitschaft, „Verantwortung zu tragen, Vorbild zu sein und gegenseitiges Vertrauen aufzubauen“. Dass dazu auch Fehlertoleranz gegenüber sich selbst und anderen gehört, rief das Seminar ebenfalls in Erinnerung.

Kristina Tonn und Heinrich Dierkes bedanken sich bei allen Beteiligten für die hervorragende Organisation und Betreuung während des gesamten Verlaufs. Im Juli 2022 wird an der OSH eine weitere Veranstaltung zu Automatisierung der Kriegsführung und dem Ukrainekrieg aus sicherheitspolitischer und friedensethischer Perspektive mit verschiedenen Referentinnen und Referenten stattfinden.

 


[1] Beide Filme stehen Militärseelsorgerinnen und -seelsorgern in der Mediathek mit Hinweisen zur Verwendung im Lebenskundlichen Unterricht zur Verfügung.