09.04.- 10.04.2013 - Vision oder Illusion? 50 Jahre Pacem in Terris

50 Jahre Pacem in Terris – Kirchliches Friedenshandeln zwischen Vision und Illusion

Johannes XXIII. schrieb Pacem in Terris in eine gefährdete Zeit hinein: Die Welt wurde beherrscht von der Bedrohung des Kalten Krieges, die Menschen fürchteten sich vor einem Nuklearkrieg. Heute bestimmen andere Sorgen das Leben der Menschen. Gibt es dennoch eine bleibende Bedeutung dieser Friedensenzyklika?

Diese Frage bewegte die ca. 100 Gäste der Veranstaltung „50 Jahre Pacem in Terris – Kirchliches Handeln zwischen Vision und Illusion“ vom 09. bis 10. April 2013 in der Katholischen Akademie Berlin. Dr. Jörg Lüer (Justitia et Pax), Dr. Veronika Bock (zebis) und LWissDir i.K. Lothar Bendel (Katholisches Militärbischofsamt) stellten ein Programm zusammen, das nicht nur die historisch-kulturelle Dimension der Enzyklika beleuchtete, sondern auch deren aktuelle Bedeutung:

Den politischen Hintergrund und die unmittelbare Wirkungsgeschichte der Enzyklika zeigte Prof. Dr. Thomas Brechenmacher (Universität Potsdam) auf. Er legte dar, dass sie in Ost und West rezipiert wurde – aber eben sehr unterschiedlich. Während der Osten die Enzyklika als Gesprächsangebot an den Kommunismus verstand, sah der Westen dagegen „seine“ Werte verteidigt. Eine historische Bilanz zu Pacem in Terris fasste er dann so zusammen: Sie sei weniger eine Annährung der Kirche an den Kommunismus im Osten, sondern vielmehr ihre endgültige Ankunft im westlichen Wertekanon der Menschenrechte.

Den Sprung von der Geschichte in die Gegenwart vollzog Prof. Dr. Heiner Bielefeld (Universität Erlangen-Nürnberg). In seinem Vortrag verdeutlichte er die aktuelle Bedeutung von Pacem in Terris. Er stellte heraus, dass das Konzept der Menschenrechte zwar gegenwärtig nicht offen angegriffen wird, die Menschenrechte aber mehr denn je in der Gefahr stehen, relativiert zu werden. Verwurzelt in der theologischen Tradition der Enzyklika, sieht er die Aufgabe der katholischen Kirche darin, solchen Bestrebungen entgegenzutreten. Auch der Begründungszusammenhang zwischen Menschenwürde und Menschenrechten muss gerade heute immer wieder hergeleitet und verteidigt werden.

In einer Podiumsdiskussion mit Dr. Bernhard Vogel (Konrad-Adenauer-Stiftung) und Markus Meckel (Außenminister a.D., DDR) wurden biographische Perspektiven auf die Zeitgeschichte geworfen. Während Dr. Vogel von der Konzilszeit und seiner begeisterten Lektüre von Pacem in Terris zu berichten wusste, stellte Herr Meckel einen Zusammenhang zwischen der Entstehung der Enzyklika, seiner Zeit als Oppositioneller in der DDR und dem Fall der Berliner Mauer her.

Zum Abschluss der Tagung diskutierte Reinhard Kardinal Marx (Erzbischof von München und Freising) in seinem Beitrag „Kirche als Friedensakteur. Teil des Problems oder Teil der Lösung?“ selbstkritisch die Rolle der Kirche in Friedens- und Konfliktprozessen. Er führte dabei aus, dass die Kirche weder auf die eine noch auf die andere Rolle zu reduzieren ist, sondern Problem und Lösung zugleich ist. Da sie niemals über der Zeit, über sozialen Strukturen und über den Menschen thront, ist die Kirche stets in die verschiedenen Sozialgefüge eingebunden. Das Volk Gottes ist damit zahlreichen Versuchungen ausgesetzt und vermag ihnen nur allzu oft nicht zu widerstehen. Gleichzeitig stellt sie aber auch eine Lösung dar, denn die Kirche hat nicht eine Friedenslehre, sondern ist selbst Friedenslehre. Vor allem die Botschaft von Vergebung und Versöhnung untereinander und mit Gott vermag Wege des Friedens zu eröffnen, ohne sich hierbei bedingungslos an ein starres Opfer-Täter-Schema zu halten. Paradigmatisch hierfür erwähnte Kardinal Marx das Wort der polnischen Bischöfe an die deutschen Bischöfe im Jahr 1965: „Wir vergeben und bitten um Vergebung“.

Am Ende der Veranstaltung stand der von Militärgeneralvikar Apostolischer Protonotar Walter Wakenhut ausgesprochene Dank für die gelungene Tagung. Der gewählte vielschichtige Zugang ließ ein umfassendes Bild der Bedeutung von Pacem in Terris deutlich werden.

Zu diesem Bild gehörte übrigens auch, dass die Botschaft von Pacem in Terris an einem markanten Punkt deutscher Friedensgeschichte in Szene gesetzt wurde. Eingeleitet wurde die Veranstaltung durch eine beeindruckend inszenierte Lesung von Auszügen aus Pacem in Terris in der Berliner Kapelle der Versöhnung. Diese steht auf dem Platz der ehemaligen Versöhnungskirche. Durch den Bau der Berliner Mauer stand sie – gleichsam über Nacht und unerreichbar für ihre Gemeinde – im Todesstreifen und wurde schließlich 1985 im Auftrag der DDR gesprengt. 1995 bekam die Gemeinde das Grundstück zurück und baute die Kapelle der Versöhnung aus den Trümmern der zerstörten Kirche auf. Umrahmt vom Jazzduo „Jürgen Hahn – Lars Gühlcke“ ließen Anna Thalbach und Heikko Deutschmann an diesem Ort konkreter und geglückter Friedensarbeit den Text durch ihre künstlerische Ausdruckskraft lebendig werden.

Dr. des. Markus Patenge

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