Mit Kant gegen Gaddafi?

Was lässt sich aus der friedensethischen Tradition für die Herausforderungen der Gegenwart lernen? Das Zentrum für ethische Bildung in den Streitkräften brachte Militärseelsorger und Friedensforscher zusammen.

Wird die Libyenkrise zur ersten großen Herausforderung für den neuen Militärbischof? Beim Friedensethischen Einführungskurs für Militärseelsorger, veranstaltet vom Zentrum für ethische Bildung in den Streitkräften (zebis), beherrschten aktuelle Geschehnisse die Diskussion. Rund zehn Pfarrer aus verschiedenen deutschen Standorten waren vom 14.-17. März nach Hamburg gereist, um Grundlagen und Anwendungsfelder der theologischen Friedensethik kennenzulernen.

Referenten des zebis und des Instituts für Theologie und Frieden (ithf) spannten in ihren Vorträgen einen weiten Bogen von klassischen Autoren der Friedensethik bis zu Problemstellungen der Gegenwart, von Thomas von Aquin bis zum Afghanistaneinsatz. Immer wieder rückte das grundlegende theologische Spannungsfeld von „gerechtem Krieg“ und gerechtem Frieden in den Blick: Ist militärische Gewalt überhaupt mit dem Ziel des gerechten Friedens vereinbar?

Besondere Brisanz erhielt diese Frage durch die dramatische Situation in Libyen, über die zur gleichen Zeit im UN-Sicherheitsrat beraten wurde. Parallel häuften sich die Nachrichten über militärische Erfolge der Gaddafi-Truppen und die verzweifelte Lage der Aufständischen. In Arbeitsgruppen diskutierten die Teilnehmer, ob eine Militärintervention ethisch geboten sei – eine Debatte, die sich auch abseits der Vorträge fortsetzte und zum regen Austausch zwischen Militärpfarrern und Friedensforschern beitrug.

So war es denn fast schon logisch, dass die im Programm anvisierten „Werkstattgespräche“ nach einhelliger Ansicht zu einem Höhepunkt der Tagung wurden. Einen Nachmittag lang gaben Mitarbeiter des ithf Einblick in ihre „Forschungswerkstätten“: Von der Klassikerforschung bis zur Terrorismusbekämpfung reichten die vorgestellten Themen. Die Gäste nahmen das Angebot mit großem Interesse wahr, informierten sich über philosophische Fragen nach legitimer Gewaltanwendung, diskutierten über Schutzverantwortung und humanitäre Interventionen oder lernten die Positionen einflussreicher Islamisten kennen. Im gemeinsamen Gespräch wurde deutlich, wie viel friedensethische Theorie und seelsorgerische Praxis einander zu sagen haben.

Cornelius Sturm