Seit zehn Jahren ist die ethische Bildung im Rahmen des Lebenskundlichen Unterrichts für alle Soldatinnen und Soldaten verpflichtend. Ebenso lange unterstützt das Zentrum für ethische Bildung in den Streitkräften die Militärseelsorgen bei diesem wichtigen Dienst.
2020 sind wir mehrmals daran erinnert worden, dass die Bundeswehr mit Recht hohe Ansprüche an ihre Angehörigen stellt. So mahnt uns die Erinnerung an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren, Gewalt grundsätzlich nur als ultima ratio, als äußerstes Mittel, anzuwenden. Nicht umsonst war noch zehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, als die ersten Rekruten der jungen Bundesrepublik vereidigt wurden, die Wiedereinführung bewaffneter Streitkräfte hoch umstritten. Die Antwort war eine Armee mit dem Leitbild des „Staatsbürgers in Uniform“. Eine gute Soldatin, ein guter Soldat zu sein, bedeutet mehr als belastbar, pflichtbewusst und zuverlässig Dienst zu tun. Ohne unbedingten Gehorsam sind die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr besonders den Werten des Grundgesetzes verpflichtet und bleibt das Gewissen die oberste Entscheidungsinstanz.
Sowohl das Gedenken an das Kriegsende, als auch der 65. Gründungstag der Bundeswehr sind im letzten Jahr allerdings in der öffentlichen Wahrnehmung zurückgetreten angesichts der Corona-Krise, die auch unsere Demokratie in ungeahntem Maße auf den Prüfstand stellt. Viele Menschen sind verunsichert: durch die von einem Virus ausgehende unsichtbare Bedrohung, aber auch durch Gerüchte und widersprüchliche Informationen. Manche haben das Vertrauen in den demokratischen Rechtsstaat ganz verloren und sich von Verschwörungsideologien anstecken lassen. Hier sind es extremistische Gruppen, die Zweifel, Angst und Unsicherheit von Menschen für ihre eigenen Zwecke ausnutzen. In dieser Gemengelage, so ist wahrzunehmen, verschwimmen die Grenzen zwischen sachlicher Debatte und irrationalen Verdächtigungen. Um letztere wahrnehmen und erstere einhalten zu können, brauchen Menschen wie Institutionen einen verlässlichen ethischen Kompass.
Papst Franziskus hat in seiner Botschaft zum Weltfriedenstag 2021 skizziert, wie ein solcher Kompass aus der Perspektive der christlichen Sozialethik aussehen kann. Dazu gehören u. a. die Achtung der Menschenwürde, die Förderung des Gemeinwohls, eine umfassende Solidarität in der Weltgesellschaft und die Sorge für die Erde als gemeinsames Haus aller. Der Papst plädiert für eine Haltung und Kultur der Achtsamkeit, die es möglich macht, aktuelle und zukünftige Herausforderungen konstruktiv und ohne Angst anzugehen.
An Herausforderungen mangelt es nicht. Die Pandemie stellt uns auch deshalb vor unerwartete Belastungsproben, weil sie Verteilungskonflikte auslöst und verschärft. Krankenhäuser stoßen an ihre Grenzen – auch wegen eines drohenden Mangels an Intensivbetten, aber vor allem an Pflegepersonal. In Deutschland wie anderswo leiden Menschen unter den wirtschaftlichen Folgen der Einschränkungen. Nun ist noch die Frage nach der gerechten Verteilung von Impfstoffen hinzugekommen.Daraus resultieren insbesondere Fragen der Gerechtigkeit, wenn Menschen(-gruppen) in ihren Lebenswelten unterschiedlich stark von den Maßnahmen betroffen sind und deren Folgen zu tragen haben. Solche Fragen nach der Gerechtigkeit werden uns auf absehbare Zeit begleiten. Über die Belastungen der aktuellen Pandemie weit hinaus führt z. B. die sich beschleunigende Klimakrise dazu, dass immer mehr Menschen weltweit an Wasser- und Nahrungsmittelknappheit leiden. Unter sozialethischen Gesichtspunkten ist der Umgang mit dem Klimawandel und seinen Folgen eines der drängendsten Themen unserer Zeit. Nicht von ungefähr erinnert Papst Franziskus in der aktuellen Weltfriedensbotschaft erneut daran, dass Friede, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung untrennbar miteinander verbunden sind.
Als Teil der staatlichen Exekutive steht auch die Bundeswehr bei der Krisenbewältigung wortwörtlich an vorderster Front. Ihre Angehörigen sind insbesondere in die Pflicht genommen, in Krisenzeiten ethisch vertretbare Entscheidungen zu treffen. Das betrifft die Soldatinnen und Soldaten, welche im Rahmen der Bündnisverteidigung die Führung des NATO-Bataillons in Litauen übernommen haben, ebenso die im Rahmen der Amtshilfe im Inneren eingesetzten Soldatinnen und Soldaten, die das Gesundheitssystem nach Kräften unterstützen. Umso wichtiger ist es, dass die Staatsbürgerinnen und -bürger in Uniform eine Ausbildung erhalten, die auch ethische Fragen und Kompetenzen umfasst.
Das zebis hat in den vergangenen zehn Jahren durch verschiedene Formate die Möglichkeiten ethischer Bildung in der Bundeswehr vertieft und einschlägige Diskurse mit sachkundigen Wortmeldungen bereichert. Dazu beigetragen haben neben zahlreichen Fortbildungen, Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen insbesondere das Didaktik-Portal und das E-Journal „Ethik und Militär“.
Für die geleistete Arbeit gilt der Leiterin des zebis, dem gesamten zebis-Team und allen, die das zebis auf diesem Weg begleitet und unterstützt haben, mein herzlicher Dank. Für die kommenden Jahre und Jahrzehnte wünsche ich dem zebis bei der Bewältigung der alltäglichen Arbeit mit ihren jeweiligen, sicher oft auch neuen Herausforderungen alles Gute und Gottes reichen Segen.