Hamburg - 28.07.2023

"Zeugen für Christus": Buchrezension von Heinrich Dierkes

 

Zeugen für Christus:
Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts

7. überarbeitete und aktualisierte Auflage, 2 Bände
Herausgegeben von Helmut Moll

Diese zwei Bände sind ein Monument – sowohl in ihren Ausmaßen als auch in ihrem Anspruch. Und irgendwie auch wegen ihrer opulenten Vorgeschichte. In seinem Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente vom November 1994 forderte nämlich Papst Johannes Paul II. alle Ortskirchen auf – auch in Vorbereitung auf das Heilige Jahr 2000 –, alles dafür zu tun, um die Erinnerung an Märtyrer nicht zu verlieren. Menschen, die ihr Glaubenszeugnis mit dem Leben bezahlt hatten, sollten im Mittelpunkt der Erinnerung stehen. Sie sollten als Vorbild für Glaubensstärke und Hoffnung auf die Auferstehung dienen. 1996 betraute daher die Deutsche Bischofskonferenz den Kölner Kleriker Helmut Moll mit der Konzeption, mit der Erstellung eines Martyrologiums für den Bereich der deutschen Katholischen Kirche. Jedes deutsche Bistum sollte dann auch einen Verantwortlichen für dieses – auch – hagiografische Projekt benennen. Und dieser sollte jeweils Prälat Moll zuarbeiten. Für ihn wurde es dann zu einer Art Lebenswerk!

Aber nicht nur um die Bistümer sollte es dabei gehen – auch Verantwortliche aus dem Bereich der Ordensgemeinschaften, der Verbände und der katholischen Organisationen wurden in dieses Projekt eingebunden.

Herausgekommen ist dabei das Opus magnum der verfolgten (katholischen) Kirche Deutschlands im 20. Jahrhundert, wobei der Kreis sehr weit gezogen wurde. So finden sich auch Märtyrer aus den Gebieten der Apostolischen Visitaturen und aus den „Missionsgebieten“, finden sich Blutzeugen in Nordkorea und China, im Kongo und Rhodesien (heute: Simbabwe). Dieses zweibändige Werk ermöglicht Einblicke in die Biografien, in das Leben und Sterben von fast 1000 Menschen. Über 150 Autoren beschreiben die Schicksale der hier aufgenommenen Frauen und Männer, deren Lebensbilder in vier Bereiche untereilt worden sind:

  1. Blutzeugen aus der Zeit des Nationalsozialismus
  2. Blutzeugen aus der Zeit des Kommunismus
  3. Reinheitsmartyrien
  4. Blutzeugen aus den Missionsgebieten

Man sieht also, dass an Umfang und thematischer Bandbreite nicht gespart worden ist.

Es handelt sich bei diesen zwei schwergewichtigen Bänden um ein Lexikon, sodass eine durchgehende Lektüre nicht ganz einfach sein wird. Das hat aber auch damit zu tun, dass die Texte vielfach eher schwülstig und voller Ehrfurcht geschrieben sind und damit ein wenig aus der Zeit gefallen scheinen. Verzierend-betulich kommen viele Formulierungen daher – als seien sie selbst eher im 20. Jahrhundert (oder sogar noch früher?) entstanden. Dabei gibt es aber durchaus lesenswerte Ausnahmen – und damit ist dann vielleicht auch einfacher zu arbeiten.

Der insgesamt eher altertümliche Eindruck scheint sich auch inhaltlich fortzusetzen, denn so manches Lebenszeugnis wirkt beschönigend, auf den Moment des Blutzeugnisses hin konstruiert und eben eher anbetungsvoll. Dazu passen besonders die Texte aus dem Bereich „Reinheitsmartyrien“. Dem eine eigene Rubrik zu widmen und die Texte dann auch noch so zu verfassen, wie sie dann zu lesen sind, erschließt sich dem geneigten Leser, der geneigten Leserin 2023 kaum. Auch die nach wie vor durchgehaltene Unterscheidung zwischen „Klerikern“ und „Laien“ ist schwer nachzuvollziehen. Sollte im Blutzeugnis für den Glauben nicht das Trennende verschiedener Lebensumstände aufgehoben sein?

Der Anspruch dieses trotz allem wertvollen Nachschlagewerkes erscheint somit nicht ausschließlich historisch, sondern mindestens auch theologisch-pastoral. Für Militärseelsorgerinnen und Militärseelsorger bietet „Zeugen für Christus“ eine umfangreiche Sammlung von Lebenszeugnissen, die sie durchaus in den Lebenskundlichen Unterricht (LKU) einstreuen können. Besonders der Bereich zu den Opfern aus der Zeit des Nationalsozialismus ist hervorzuheben. Hier findet sich vermutlich so manches Material, um das ein LKU bereichert werden kann. Auch die Bundeswehr arbeitet ja – gerade im Bereich der Traditionspflege – durchaus mit Vorbildern und der Beschreibung und Deutung von Lebenszeugnissen. Umso erstaunlicher wirkt, warum jemand wie Franz Jägerstätter, der 2007 seliggesprochen wurde, auf nahezu 1900 Seiten nur dem Namen nach erwähnt wird. Er hatte den Fahneneid der Wehrmacht auf Adolf Hitler aus Gewissensgründen verweigert und wurde daher im August 1943 hingerichtet.

RD Heinrich Dierkes, stellvertretender Leiter des zebis