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Generalmajor André Bodemann

Der Corona-Pandemie zum Trotz: Die Innere Führung trägt!

Generalmajor André Bodemann, Kommandeur des Zentrums Innere Führung (ZInFü), zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das ZInFü sowie zu ersten Erfahrungen und Lehren aus der Krise.

Hamburg - 27.01.2021

Ende März 2020 steuerte die Corona-Pandemie in Deutschland auf ihren ersten negativen Höhepunkt zu. Die Folgen sind bekannt: Ein erster harter Lockdown, mit dem Ziel, die Gesundheitseinrichtungen mittels „flatten the curve“ nicht an die Belastungsgrenzen zu bringen. Die Corona-Pandemie geht mit gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen einher. Und dass auch das ZInFü seinen Beitrag dazu leistet, versteht sich von selbst.

Zunächst stellte sich auch für das ZInFü die Frage, wie mit der neuen Lage umzugehen ist: Was bedeutet die Pandemie für unseren Lehrbetrieb mit bis zu 12.000 Lehrgangsteilnehmenden im Jahr und für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Rahmen von Aktionsprogrammen in der Truppe sowie zur Durchführung von Coachingmaßnahmen viele Dienstreisen durchführen?  

Nachdem zunächst der Lehrgangsbetrieb und alle Aktivitäten in der Fläche bis Ende Mai 2020 ausgesetzt werden mussten und zur größtmöglichen Reduzierung von Kontakten rund drei Viertel des eigenen Personals in ortsunabhängiges Arbeiten (Homeoffice) entlassen wurden, standen drei wesentliche Aufgaben an:
Zunächst war ein auf die Belange des ZInFü zugeschnittenes Hygienekonzept zu entwickeln, das die einschlägigen Auflagen u.a. der Überwachungsstelle für Öffentlich-Rechtliche Aufgaben West (ÖRA WEST) zu berücksichtigen hatte und den räumlichen wie organisatorischen Belangen des ZInFü Rechnung tragen musste. Sodann war zu entscheiden, ab wann und in welcher Form der Lehr- und Ausbildungsbetrieb am Haus sowie die Angebote und Leistungen des ZInFü in der Fläche wieder aufgenommen werden konnten. Es galt also verantwortungsbewusst zwischen größtmöglichem Mitarbeiterschutz und bestmöglicher Auftragserfüllung abzuwägen und dann die folgerichtigen Regelungen festzulegen. Und schließlich mussten Unterstützungsanträge organisiert werden, die von innerhalb der Bundeswehr aber auch im Rahmen von Amtshilfegesuchen von zivilen Stellen an das ZInFü herangetragen wurden.

Eigenes Hygienekonzept bewährt sich

Die Zusammenarbeit mit der ÖRA-WEST und dem Zentralen Sanitätsdienst der Bundeswehr zur Erstellung unseres Hygienekonzepts war eng und zielgerichtet. Diesbezüglich war und ist für uns die Eigenverantwortung jedes und jeder einzelnen sowie die gegenseitige Rücksichtnahme ein sehr wichtiger Beitrag. Zur Erprobung wurden im Juni 2020 drei Trainings am Haus durchgeführt. Sowohl das eigene Personal als auch die Trainingsteilnehmenden bestätigten die Praxistauglichkeit des Konzepts. Auch Coaching war so wieder durchführbar. Das Hygienekonzept bildete die Voraussetzung für die Wiederaufnahme eines angepassten Regelbetriebs nach der Sommerpause. Das Konzept hat sich bewährt, es gewährt Schutz und ermöglicht uns trotz des eingeschränkten Tagesdienstes die Auftragserfüllung, soweit die Lage dies zulässt. Es ist ein lebendes Dokument und berücksichtigt aktuell auch die verschärften Maßnahmen des neuerlichen Lockdowns.

An die Corona-Lage angepasster Regelbetrieb

Früh war klar, dass das ZInFü auch im zweiten Halbjahr 2020 nicht unter „Volllast“ würde fahren können. Die Trainings waren also zu priorisieren. Dabei lag und liegt unverändert der Fokus auf den so genannten Pflichtlehrgängen „Innere Führung für Bataillonskommandeure, Einheitsführer und Spieße“. Denn diese Gruppen von militärischen Führern und Vorgesetzten sind in der Truppe die wesentlichen Multiplikatoren für die Umsetzung und für das Erleben unserer Führungskultur. Im Ergebnis konnten über neunzig Prozent des erforderlichen Bedarfs an Lehrgangsplätzen für diese Schwerpunktlehrgänge bereitgestellt werden. Dieses Angebot wurde trotz der Rahmenbedingungen sehr gut angenommen. Ebenso wurde mit den Kerntrainings für das Rechtspflegepersonal verfahren, die am ZInFü durch die „Zentrale Ausbildungseinrichtung für die Rechtsausbildung in den Streitkräften“ (ZAR) verantwortet werden. Die Priorisierung von Trainings ist aufgrund der anhaltend hohen Infektionszahlen nach wie vor erforderlich. Im Vergleich zur vorwiegenden Wissensvermittlunginanderen Bildungseinrichtungensind die Trainings und Seminare am ZInFü sehr auf Dialog, persönliche Kommunikation, Austausch und Reflexion ausgelegt. Hierzu bieten Präsenzveranstaltungen die besten Voraussetzungen. Gleichwohl stellt sich auch das ZInFü der Herausforderung zur Bereitstellung eines entsprechenden Bildungsangebots auf Distanz. Ziel ist es, moderne, digitalisierte und/oder hybride Formen des Lehrens und Lernens weiter zu entwickeln. Die ZAR geht hier mit dem „Handlungstraining Wehrrecht“ für Disziplinarvorgesetzte an den Start.

Führen auf/trotz Distanz

Im Juni des vergangenen Jahres wurde zusätzlich eine anonymisierte Mitarbeiterbefragung unter dem Personal im Homeoffice und dem vor Ort am ZInFü verbliebenen Personal durchgeführt. Auch wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die von zuhause arbeiteten, sich für diese Möglichkeit dankbar zeigten, wurde doch auch deutlich, dass teilweise der unmittelbare Kontakt zu Kameradinnen und Kameraden, Kolleginnen und Kollegen sowie auch zu Vorgesetzten vermisst wurde. Die neue Arbeitsform des Homeoffice kam für diejenigen, die nicht bereits in Telearbeit waren, sowie auch für einige Führungskräfte plötzlich und unvorbereitet. Hier haben wir mittlerweile viele wichtige Erfahrungen gesammelt. Eine davon ist, dass das Führen auf bzw. trotz Distanz zwei elementare Bestandteile der Inneren Führung wieder stärker in den Fokus rückt: Das Führen mit Auftrag und gegenseitiges Vertrauen. Nur so kann es gelingen, die Auftragserfüllung und damit die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr und der Streitkräfte in solch besonderen Lagen – ohne Möglichkeit des persönlichen Miteinanders – durchhaltefähig sicherzustellen. Unsere Führungskultur, die Innere Führung, bietet die Grundlagen dafür und sie bietet die Gewähr, dass wir als Bundeswehr und Streitkräfte auch Krisen wie diese meistern.

Unterstützung in der Amtshilfe

Hatte das ZInFü bereits im Frühjahr 2020 durch die Abstellung von Einzelpersonal zu anderen Dienststellen der Bundeswehr sowie durch das Bereithalten von Material und Infrastruktur unterstützt, war ab November 2020 aufgrund des raschen Wiederanstiegs der Infektionszahlen erneut Amtshilfe auch von uns gefordert. Denn auch in der Region rund um Koblenz grassiert das Corona-Virus weiter und in Fieberambulanzen, Gesundheitseinrichtungen und insbesondere Pflegeheimen wird zusätzliches Personal benötigt. Die Freiwilligenmeldungen von militärischem und zivilem Personal umfassen aktuell mit über 50 Angehörigen des ZInFü rund ein Viertel der Gesamtstärke unserer Dienststelle. Das freut mich als Kommandeur und macht mich stolz, weil es mir zeigt, dass unsere Menschen in dieser fordernden Zeit trotz eines erhöhten eigenen Infektionsrisikos gerne Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen. Hier wird das Leitbild der Inneren Führung - der Staatsbürger in Uniform greifbar. Einige Kameradinnen und Kameraden waren über Weihnachten und an den Tagen danach in einem stark belasteten Alten- und Pflegeheim in der Region eingesetzt und wurden dort auch mit dem virusbedingten Tod von Heimbewohnern konfrontiert. Unser Personal erfährt diesbezüglich eine besondere Aufmerksamkeit und Betreuung. Ein weiterer Einsatzort liegt in einer Corona-Fieberambulanz in Koblenz, und in den kommenden Wochen ist zusätzlich die personelle Unterstützung eines Impfzentrums im Kreis Mayen-Koblenz vorgesehen.

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Generalmajor André Bodemann (55)ist seit Ende März 2020 Kommandeur des Zentrums Innere Führung in Koblenz.

 

Zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie hat das zebis eine Reihe von Gastkommentatoren aus Wissenschaft, Kirche, Gesellschaft und Militär gewonnen. Ihre Beiträge veröffentlichen wir hier in loser Reihenfolge. Lesen Sie auch:
Teil 1: Internationale Beziehungen nach der Corona-Pandemie von Dr. Melanie Alamir
Teil 2: Beitrag von Generaloberstabsarzt Dr. Ulrich Baumgärtner, Inspekteur des Sanitätsdienstes
Teil 3: Grenzen! Europa im Auge der Corona-Pandemie von Dr. Erny Gillen
Teil 4: Verantwortung in Zeiten der Corona-Pandemie von Prof. Dr. Kerstin Schlögl-Flierl
Teil 5: Ethische Herausforderungen im Kontext der Corona-Pandemie von Prof. Dr. Franz-Josef Bormann
Teil 6: Friedenssicherung in Zeiten der Pandemie. Ethische und sicherheitspolitische Konsequenzen einer neuen Bedrohung von Prof. Dr. Kerstin Schlögl-Flierl 

Auch die aktuelle Ausgabe des E-Journals „Ethik und Militär“ „Vulnerabilität und Resilienz in der Corona-Pandemie“ (online seit 1.12.2020) beleuchtet wesentliche ethische und sicherheitspolitische Aspekte der Pandemie.