Symposium: Ethische Bildung in der Bundeswehr – Aufgaben, Möglichkeiten, Grenzen

Ethische Bildung in der Bundeswehr – Aufgaben, Möglichkeiten, Grenzen: Der Titel des Symposiums, anlässlich des zehnjährigen Jubiläum des zebis im April am 22. Oktober durchgeführt, spannt ein weites Feld auf. Nach den Grußworten des Leitenden Militärdekans Monsignore Rainer Schadt, der Direktorin des zebis Dr. Veronika Bock und des Präsidenten der Helmut-Schmidt-Universität Prof. Dr. Klaus Beckmann spiegelte sich dies bereits in den beiden vormittäglichen Keynotes wider.

„Was ist ethische Bildung?“, fragte Markus Vogt, Professor für Christliche Sozialethik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Anhand verschiedener philosophischer Zugänge skizzierte er ein Verständnis von Bildung, das sich von einem alleinigen Ansammeln von Wissen fundamental unterscheidet, sondern eine grundlegende Haltung der Aufgeschlossenheit und das Wissen um die Begrenztheit der eigenen Standpunkte und Urteile beinhaltet. Nicht das Ansammeln von Wissen, sondern die Reifung am Wissen mache Bildung aus, die damit zugleich immer zu „ethischer“ Bildung werde. Ein solch anspruchsvoller, nie abgeschlossener Prozess benötige persönliche Zugänge und Beziehungen, er müsse in der persönlichen Lebenswelt verortet sein und an moralische Intuitionen anknüpfen. Dann, so Vogt, habe ethische Bildung nicht nur einen Wert, sie sei auch ein Wert für die Bundeswehr.

Dass sich ethische Bildung für Soldatinnen und Soldaten keineswegs im Erstellen oder Abhaken von Checklisten erschöpft, machte Brigadegeneral Robert Sieger, der Beauftragte des Generalinspekteurs für Ausbildung und Erziehung, in seinem anschließenden Vortrag deutlich. Auch er verwies auf die Komplexität der Aufgabe. Angesichts eines sinkenden Bildungsniveaus, des stets knappen Faktors Zeit und eines wachsenden Orientierungsbedarfs lasse sie sich nur durch ein Zusammenwirken aller Akteure, die Praxisrelevanz der Inhalte und die zielgruppengerechte Ansprache bewältigen. Der Mehrwert – ein Orientierungsrahmen für richtiges Handeln, im Alltag wie in Extremsituationen – müsse, so der General, erkennbar sein. Gerade dafür brauche es andererseits keine zu starren Vorgaben, sondern ebenso vorbildhaftes Handeln und das Verständnis, dass ethische Bildung auch im informellen Rahmen stattfinden könne.

Am Nachmittag setzten sich die 20 Teilnehmenden aus dem LGAN 2019 von der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg und Studierenden der Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr in verschiedenen Workshops mit den vielfältigen Fragen auseinander, welche die Vorträge angestoßen hatten. 

„Ethik als Handlungsanleitung für Soldaten?“ Unter diesem Titel diskutierte Monsignore Bernward Mezger, katholischer Militärdekan an der Führungsakademie, die Relevanz ethischer Bildung. Zur Sprache kam hier unter anderem, ob eine Auseinandersetzung mit dem existenziellen Ernst des Soldatenberufs früher einsetzen müsse, nicht zuletzt angesichts der Herausforderungen durch die Ausrichtung auf die Landes- und Bündnisverteidigung, ob es ein Zuviel an ethischer Reflexion geben könnte und wie sich die Anforderungen an ethische Bildung mit knappen Zeitbudgets vereinbaren lassen.

Der Workshop „Ethische Bildung in der Bundeswehr: Selbstbindung an Werte und moralische Urteilskraft“ von Dr. Matthias Gillner, Wissenschaftlicher Direktor für Katholische Sozialethik an der Führungsakademie der Bundeswehr, fokussierte sich auf die berufsethische Ausbildung in der Bundeswehr. Die Teilnehmenden brachten insbesondere ihre Erfahrungen aus Auslandseinsätzen ein. Diskutiert wurde etwa, ob in Gefahren- und Extremlagen ethische Bildung oder nur Reflexe und Instinkte greifen. Antworten fand die Gruppe in dem Vermögen ethischer Bildung, in Vorbereitung auf Dilemmata das Reflexionsvermögen zu steigern und im Nachhinein mit einer ehemals getroffenen Entscheidung Frieden zu schließen.

Erny Gillen, langjähriger Ethik-Professor und ehemaliger Vizepräsident der Caritas Europa, leitet heute das von ihm gegründete Institut „Moral Factory“. Er präsentierte die in einem partizipativen Prozess erstellte Wertecharta der Luxemburger Armee mit ihren Grundwerten Engagement, Rechtschaffenheit und Zuverlässigkeit, die in verschiedenen Kategorien weiter ausdifferenziert werden. In der anschließenden Diskussion konnte zumindest angerissen werden, inwieweit ein solches Werteraster Modellcharakter für andere Armeen haben und als didaktisches „Werkzeug“ eingesetzt werden könnte.

Ein weniger diskursiver Zugang zu ethischer Bildung war im vierten Workshop zu erleben, der von dem Theologen und Pädagogen Dr. Heinrich Dickerhoff und dem stellvertretenden Leiter des zebis Heinrich Dierkes geleitet wurde. Gemeinsam mit ihrer Gruppe setzten sie sich sehr anschaulich und zugleich „handfest“ mit dem Ritterlichkeitsideal, seiner Entwicklung und seiner Bedeutung für die Persönlichkeitsbildung auseinander. Im Umgang mit einem stattlichen Schwert konnten die einzelnen Teilnehmenden auch körperlich nachempfinden, was es bedeutet, Macht verantwortungsvoll zu gebrauchen.

Bei einem derart weit gesteckten Rahmen konnten nicht alle auftauchenden Fragen vertieft und abschließend behandelt werden. Doch gerade mit Blick auf die neue, noch zu erlassende Zentrale Dienstvorschrift zur ethischen Bildung in der Bundeswehr gab das Symposium allen Beteiligten vielfältige Anregungen zur Auseinandersetzung mit Ethik, zur Durchführung und Umsetzbarkeit ethischer Bildung für Soldatinnen und Soldaten und zu adäquaten Bildungsformaten – ganz im Sinne von Bildung als ganzheitlicher, lebenslanger Aufgabe, wie sie die Vortragenden des Vormittags umrissen hatten.

Das zebis bedankt sich bei allen, die zu dieser gelungenen Veranstaltung beigetragen haben.

Rüdiger Frank

Fotos: Christian Lau