Ethik in Zeiten von Terror und Gewalt - Friedensethischer Vertiefungskurs

Die Ausbrüche von Gewalt in den vergangenen Monaten zeigen, wie sehr der Terror inzwischen auch in Europa angekommen ist. Der radikal-islamische Dschihadismus und der Salafismus haben sich bis nach Deutschland ausgebreitet. Immer mehr junge Anhänger zeigen sich empfänglich für eine extreme Gotteslehre und verherrlichen Gewalt gegen Andersdenkende, indem sie den IS und andere Gruppen unterstützen.

Was sind die Motive solcher Terrorakte? Inwiefern sind diese auch gesellschaftlich begründet und wie kann Radikalisierung und Abgleiten in Terrorismus verhindert werden? In den Konflikten geht es häufig um autonome Selbstbestimmung und deren Auswirkungen für eine politische Ordnung. Doch wo genau liegen die Ursachen der Gewalt und die politischen Antworten, und wohin entwickelt sich kirchliche Friedenslehre?

Im Juni 2016 führten das zebis und das Institut für Theologie und Frieden (ithf) in Hamburg einen friedensethischen Vertiefungskurs zum Thema „Ethik in Zeiten von Terror und Gewalt“ für 23 Teilnehmer aus der katholischen und evangelischen Militärseelsorge, Polizeiseelsorge und Soldaten durch. Die Besucher kamen aus Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Litauen, Niederlande, Österreich, Schweiz, Ukraine und dem Bundesgebiet und diskutierten die Grundlagen von Terror. Was genau sind die Kraftquellen von Gewalt? Vorgestellt wurden Ursachen von Gewalt sowie politische Antworten auf Basis kirchlicher Friedenslehre. Diverse Referenten aus dem ithf und zebis erörterten in den Arbeitsgruppen Themen wie "Globale Gerechtigkeit" von Daniel Peters, "Islam, Terror, terroristische Gruppen" von Heinrich Dierkes und Kristina Tonn und "die Schutzverantwortung als urkirchliches Anliegen" von Dr. Marco Schrage. Außerdem stellte Dr. Heydar Shadi das Thema "Islam, Islamismus, Dschihadismus" vor. So warnte Shadi vor einer „Übertheologisierung von Gewalt“ und plädierte für einen multi-dimensionalen Zugang zur Gewalt und Terrorismusforschung. Die vielfältigen Ergebnisse des Kurses können vor allem in den Lebenskundlichen Unterricht (LKU) einfließen. Für Heinrich Dierkes, stellvertretender Leiter des zebis, sollte der Friedensethische Vertiefungskurs vor allem "Menschen miteinander ins Gespräch bringen, ein Bewusstsein wecken für die eigene Verantwortung für den Frieden und Räume zur Aus- und Fortbildung schaffen". Das ausgesprochen positive Feedback zeige,  so Dierkes, dass unsere Ideen greifen konnten. "Nun geht es um die Umsetzung in den verschiedenen Regionen und Arbeitsbereichen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer.“

„Politische Beteiligung: wenn sie fehlt, droht Gewalt“, so hieß das Vortragsthema von Direktor Prof. Dr. Heinz-Gerhard Justenhoven (ithf). Als Friedensforscher beobachtet er, dass „die fehlende politische Teilhabe eines großen Teils der Bevölkerung sich als die zentrale Konfliktursache in so verschiedenen Gewaltkonflikten wie in Syrien oder in Mali erwiesen hat. Verantwortungsvolle internationale Politik, die auf eine friedliche Zukunft dieser Völker zielt, muss hier ansetzen.“ Dieses Thema in der friedensethischen Fortbildung zu bearbeiten, war Justenhoven besonders wichtig. Die Veranstalter des internationalen Friedenskurses sorgten für weitere spannende Vorträge: „Sicherheit statt Freiheit oder Freiheit statt Sicherheit“ von Prof. Dr. Gerhard Beestermöller, „Al Jannah! - Praxisbeispiele junger Menschen aus der dschihadistisch-salafistischen Szene“ von Nina Käsehage und das Thema „Neuer Terrorismus – Alte Gründe“. Dieses Thema wurde von Dr. Bärbel Bongartz präsentiert. Für sie braucht Deradikalisierung unbedingt interdisziplinäre Bekämpfungsansätze, insbesondere da bis heute keine eindeutige Definition des Begriffs Terror vorliegt. Was also ist Terror überhaupt? Eine spannende Frage, die vor allem auch international geklärt werden sollte.

Insgesamt herrschte unter den Teilnehmern ein reger Austausch. Für den österreichischen Militärseelsorger Stefan Gugerel vom Institut für Religion und Frieden war die intensive Beschäftigung mit Spezialthemen in den Arbeitsgruppen besonders inspirierend. Laut Gugerel ließen sich diese gut in die berufsethische Bildung integrieren, zumal sie den Horizont weiten und auf militärische wie militärseelsorgerische Felder anwendbar sind wie beispielsweise das komplexe Thema globale Gerechtigkeit. Sogar für Projekte am Institut für Religion und Frieden in Österreich konnte Gugerel einige neue Ideen mitnehmen. Auch Jozo Mravak, dem Kaplan der kroatischen Kriegsmarine, hat es, wie er sagt, sehr gut gefallen. „Ich habe sehr viel über Christen, Terrorismus, Islam und westeuropäische Katholiken und Ethik gelernt“. Joachim Simon, Leitender Militärdekan für katholische ausländische Militärseelsorger bestätigt, dass „das Interesse aus der Militärseelsorge unserer Partnerländer wieder groß war. Die rege Beteiligung, auch an den Diskussionen zeigt, dass die erörterten Themen trotz mancher Sprachprobleme nicht nur im deutschen Interesse, sondern auch im Fokus all derer stehen, die sich in Europa für ethische Bildung und Orientierung in den Streitkräften engagieren.“

Beitrag: Gertrud Maria Vaske; Fotos: Vaske/Tonn